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Naturwissenschaft - Technik

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Feuer

 

 

 

 

 

 

Die Physik der Kerze

(Aus: Ruhr-Universität Bochum Adventskalender 2002)

 

Fachwissenschaftlicher Bezug 1

Kerze

Dem Wesen des Feuers können sich die Kinder am Beispiel der Kerze forschend nähern (siehe "Bausteine zur Umsetzung").

 

Die Kerze ist ein Beleuchtungsmittel, das aus einem Docht (Faserstoff) besteht, der in einem zylinderförmigen Körper aus Brennmasse eingeschlossen ist.

Als Rohstoffe verwendet man u. a. Stearin, Paraffin, Bienenwachs oder auch Mischungen aus diesen Wachsen.

Das durch die Hitze der Flamme verflüssigte Wachs steigt am Docht empor.

Dieses Prinzip der "Kapillarität" lässt sich auch mit einem wachsfreien Docht bzw. einem Wollfaden verdeutlichen, dessen Ende in gefärbtes Wasser getaucht wird.

Das flüssige Wachs (oder Stearin) verwandelt sich in der Flamme in Wachsgas. Es ist als dunkler Kern um den Docht herum erkennbar. Dieses Gas zerfällt in seine Bestandteile Kohlenstoff (kleine, glühende Rußteilchen) und Wasserstoff.

Im Flammensaum verbrennt der Ruß zu Kohlendioxid, während der Wasserstoff zu Wassergas oxidiert.

 

Die Physik der Kerze

Selten gibt es so einfach aussehende und billige Systeme, die alle Aggregatzustände der Materie in einer stationären Strömung so romantisch vereinigen...


Eine Kerze ist, so alt und einfach ihr Konzept aussehen mag, eine phantastische Kombination vieler technologischer und physikalischer Tricks und Phänomene: Ihr Feststofftank ist behälterlos, Brenn-material, Säule und standfester Fuß in einem und sogar durch Duktilität (Dehn-, Formbarkeit) jeder beliebigen Unterlage anpassbar und durch Adhäsion (Aneinanderhaften der Moleküle an der Grenzfläche zweier verschiedener Stoffe) klebbar. Die Fertigung durch wiederholtes Ziehen des zentralen Dochtes aus einer Schmelze und sofortiges Erstarren derselben prägt ihr eine elegante Rotations-symmetrie auf, die nicht nur ästhetisch, sondern auch höchst funktionell ist: Die dadurch gebildeten Schichten halten die
Kerze weitgehend tropffest und versteifen sie zu höherer Bruch-belastung, die im Gepäck des Weihnachtsmannes auftreten könnte.

Der Docht wirkt als Kapillarpumpe, die ohne bewegliche Teile auskommt und als Feinfilter für das flüssige Wachs wirkt, wodurch eine gleichmäßige Verbrennung entsteht. Bei guter Materialauswahl ist der Docht selbstkürzend, d.h. sein Ende, das nicht genug durch das flüssige Wachs gekühlt werden kann, verkohlt und verdampft von selbst.
Nur Fans der Rocky-Horror-Picture-Show und Wissenschaftler, die zwecks Ruferlauschung bei offenem Fenster schlafen, lassen die Kerze bestimmungsungemäß in seitlicher Zugluft brennen, so dass sie blakt und tropft...


Nach der Phasenumwandlung des Wachses vom festen in den flüssi-gen Zustand und Hochtransportieren durch den Docht geschieht ein weiteres Wunder der Thermodynamik:
Das flüssige Wachs verdampft, um sogleich durch atomare Hoch-anregung in den Plasmazustand überzugehen. Dabei kommt das Leuchten quantenmechanisch auf zweierlei Weise zustande: Erstens emittiert die Kerze allein schon aufgrund ihrer hohen Flammen-temperatur à la Planck eine vom gleichnamigen Wirkungsquantum regierte Schwarzkörperstrahlung und zweitens gibt es elektronische Anregungen in den Dampfatomen, die bei Abregung bestimmte gelbliche Spektrallinien wie die des Natriums emittieren. Der Weihnachtsmann mag sich auf- oder abregen, in der Kerze passiert's sekündlich viele tausend billionen Mal.

Die Energie dazu wurde übrigens tagsüber durch Sonnenstrahlung über Photosynthese und Fressen dieses Biomaterials durch tierische Lebewesen und ihre Fettanlagerungen zugeliefert. Durch die entstehende Wärme der chemischen Reaktion ergibt sich eine Konvektion, die die Flamme elegant emporzieht, ohne die durch zufällige Inhomogenitäten entstehenden, durch die Bernoulli-Gleichung beschreibbaren seitlichen, quasichaotischen Auslenkungen zu vernachlässigen, die der Kenner der brennenden Kerze als Züngeln bezeichnet.

Für den heutigen Beitrag danken wir Prof. Dr. Andreas Wieck,
Lehrstuhl für Angewandte Festkörperphysik, Fakultät für Physik und Astronomie

 

 

 

 

 

 

 

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