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Leistungsbewertung bei arbeitsteiliger Gruppenarbeit - Auszüge aus einem Erfahrungsbericht

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Eckdaten zum Projekt
  Die am Projekt beteiligten Schüler und Schülerinnen besuchten die im Projektjahr neu zusammengesetzten Klassen 3 AP und 3 BP der Handelsoberschule "Franz Kafka" in Meran. Die Klasse 3 AP bestand aus 5 Mädchen und 15 Buben, die Klasse 3 BP aus 6 Mädchen und 14 Buben. Das Projekt wurde im Mathematikunterricht durchgeführt und benötigte insgesamt 25 Unterrichtsstunden. Vorwiegend wurde im Computerraum gearbeitet (Pentium 4, 2 GHz - Geräte, Internet und Farbdrucker standen zur Verfügung). Die Klassen besuchen die Fachrichtung Programmierer, haben bereits Erfahrung im Umgang mit dem Internet, mit MS-Office (Word, Excel, Powerpoint) und mit JAVA-Skript. Der Großteil der Schülerinnen und Schüler arbeitet interessiert und lässt sich leicht motivieren. Einige verfügen bereits über Erfahrungen mit "Modellieren mit Mathe", daher ist ihre Arbeitsweise von größerer Selbständigkeit geprägt.
   
Projektvorbereitung
 

Bei der Vorbereitung der Modellierungsphase haben wir uns entschieden, den Schülern und Schülerinnen die folgenden realen Probleme zur Auswahl anzubieten:

  • Aids und Grippe - zwei "moderne" Epidemien?
  • Faszinierende Arches, kunstvolle Bögen, elegante Brücken und
  • Wohlstand für alle! - Vision oder Möglichkeit?

Insbesondere haben wir uns aber bei diesem Projekt überlegt, welche Elemente in die individuelle Leistungsbewertung der Schülerinnen und Schüler einfließen sollten. Wichtig war für uns, dass wir die Ziele, die wir für sehr wichtig (für wertvoll) hielten, auch in die Bewertung einbeziehen wollten. Wir entschieden uns:

  • für eine Einschätzung bzw. Beurteilung des Lernfortschritts durch die Schüler/innen selbst,
  • für eine Bewertung des Erwerbs bzw. der Anwendung verschiedener, vom Schulprogramm angestrebter fachübergreifender Fähigkeiten und
  • für eine Bewertung des Produktes (Endergebnisses) der Kleingruppen.

Aus diesen drei Bewertungen sollte sich dann für jeden Schüler und jede Schülerin eine individuelle Endnote ergeben. Die Selbsteinschätzung des Lernfortschritts durch die Schülerinnen und Schüler sollte mit Hilfe eines Lerntagebuches - auch durch uns beratend - unterstützt werden. Der Grad des Erwerbs der angestrebten Fähigkeiten sollte von uns mit Hilfe eines Beobachtungsbogens festgestellt und dokumentiert werden.

   
Führen eines Lerntagebuches
 

Die Schülerinnen und Schüler werden verpflichtet ein Lerntagebuch zu führen und ihre Arbeiten nach jeder Unterrichtsstunde anhand einer vorgegebenen Struktur (siehe weiter unten: Beispiele aus Lerntagebüchern) zu reflektieren. Diese Reflexionen in den Lerntagebüchern sollten dann durch uns, in Zusammenwirken mit den Schülerinnen und Schülern, nach folgenden Kriterien bewertet werden:

  • Kritische Selbsteinschätzung,
  • Aussagekraft und Präzision,
  • Originalität der Aussagen,
  • Sprachkorrektheit,
  • Vollständigkeit und
  • Form und Sauberkeit.

Die Bewertung sollte dann mit den Schülerinnen und Schülern besprochen und so gleichzeitig als eine pädagogische Beratung genutzt werden. Diese soll den Jugendlichen in Zukunft helfen, ihr selbstorganisiertes und selbstverantwortetes Lernen zu verbessern. Wir betrachten die Beratung als eine wichtige Unterstützung auf dem Weg zur Selbstständigkeit.

   
Beobachtungsbogen für fachübergreifende Ziele
 

Mit dem Beobachtungsbogen (siehe weiter unten: Beobachtungsbogen) nahmen wir uns vor, den Grad des Erwerbs der nachfolgend formulierten, fachübergreifenden Fähigkeiten zu beobachten:

  1. funktionale Zusammenhänge zur Beschreibung von außermathematischen Sachverhalten nutzen können,
  2. die formale Sprache der Mathematik - soweit sie bereits bekannt ist - nutzen können,
  3. neue Werkzeuge bei der experimentellen Lösung eines Sachverhaltes sachgerecht anwenden können,
  4. sich sachbezogen und eigenständig Informationen beschaffen können,
  5. mit anderen zum Zwecke der Verständigung kommunizieren können,
  6. in der Kleingruppe Verantwortung übernehmen können sowie
  7. in Absprache mit den Beteiligten ein gemeinsames "Produkt" erstellen und präsentieren können.

Im Laufe des Projektes sollte jede Schülerin und jeder Schüler dreimal bewertet werden, um so zu einem zuverlässigen Ergebnis zu kommen. Aber auch diese Beobachtungen sollten mit den Schülerinnen und Schülern besprochen werden, wiederum als pädagogische Beratung gedacht. Das Produkt oder Endergebnis der Kleingruppe Schließlich sollte das von der Gruppe in der Galerie oder im Forum veröffentlichte Produkt (Endergebnis) nach folgenden Kriterien bewertet werden:

  • Mathematischer Inhalt,
  • Originalität der Ausführungen,
  • Vollständigkeit der Ausführungen,
  • Reflexion in Bezug auf das komplexe Problem,
  • Funktionstüchtigkeit der eventuell erstellten Programme und
  • Sprachkorrektheit.
   
Projektdurchführung
 

Die folgende Beschreibung zur Projektdurchführung bezieht sich in diesem Erfahrungsbericht alleine auf die Leistungsbewertung. Nach einer Einführung in das Projekt "Modellieren mit Mathe" wurden die Schülerinnen und Schüler über die Bewertungs-Formen und -Kriterien unterrichtet. Die Jugendlichen erhielten zusätzlich auch noch schriftliche Unterlagen, damit sie sich jederzeit daran orientieren konnten. Die Arbeiten in der Modellierungsphase wurden von den Kleingruppen selbst organisiert und selbstverantwortet. Als Mathematiklehrer moderierten wir die Lernprozesse und unterstützten die Jugendlichen hie und da mit diversen Anregungen und Vorschlägen.
Einmal pro Woche präsentierte jeweils ein/e Gruppensprecher/in die Fortschritte der jeweiligen Gruppe im Plenum. Dabei konnten wir insbesondere Anregungen bezogen auf folgende Aspekte des Beobachtungsbogens geben:
· Präsentation des "Produktes" und des Arbeitsfortschrittes: Korrektheit der Sprache, Klarheit der Ausführungen, Informationsgehalt, Einhalten der Zeitgrenzen, Eingehen auf Diskussionsbeiträge und Fragen, Medieneinsatz (Art der Präsentation)
· Formale Sprache der Mathematik: ersichtlich bei der Präsentation, in der dokumentierten Arbeit, in der Diskussion mit Gruppe und Lehrer

Die Schülerinnen und Schüler wurden zudem öfters auf die Notwendigkeit hingewiesen, das Lerntagebuch zu führen. Nach Abschluss der Arbeiten wurden dann die Lerntagebücher eingesammelt und nach den obgenannten Kriterien bewertet. Analoges geschah mit den im Forum präsentierten Arbeiten. Zusammen mit den Bewertungen aus den Beobachtungsbögen ergab sich dann individuell für jeden Schüler und jede Schülerin eine Endnote. Diese Endnote sowie die jeweiligen Einzelbewertungen wurden den Schülern und Schülerinnen mitgeteilt. Eine pädagogische Beratung schloss sich an.

   
Abschließende Reflexionen
 

Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich nach Abschluss der Arbeiten recht zufrieden mit der Bewertungsform. Insbesondere wurde gelobt, dass der persönliche Einsatz nicht in der Gruppennote untergehe, so wie das sonst bei Gruppenarbeiten fast immer der Fall sei. Dies wird von den Jugendlichen als sehr ungerecht empfunden und erweist sich oft als ein stark demotivierendes Moment ("Warum soll ich mich anstrengen, wenn mein Kollege, der kaum etwas zum Gelingen beiträgt, dann die gleiche Note bekommt?").
Interessant waren für uns Lehrer besonders die Lerntagebücher. Während einige Schülerinnen und Schüler sich bei deren Führung noch recht schwer taten (viele Wiederholungen, wenig Präzision) überzeugten andere durch originelle und teilweise auch sehr selbstkritische Einschätzungen.
Probleme hatte ein Teil der Jugendlichen (ca. 20 %) beim Zeitmanagement. Dies wurde einerseits durch die Aussagen in den Lerntagebüchern deutlich, andererseits zeigte sich dies auch durch die Tatsache, dass manche Lerntagebücher nicht regelmäßig geführt worden waren, was Nachtragungen erforderlich machte. Diese Nachtragungen waren wiederum leicht als solche identifizierbar, da sie meist sehr unpräzise und schwammige Formulierungen enthielten.
Bei einigen Tagebüchern fällt auf, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler überraschend schwer tun, Lernprozesse in angemessener Weise zu beschreiben, besonders dann, wenn diese mathematischer Natur sind. Sie flüchten sich häufig in oberflächliche Formulierungen, die wenig Rückschlüsse auf die gelernten Inhalte zulassen. Wir werden beim nächsten Projekt verstärkt auf diesen Punkt achten.
Mehr Mühe als erwartet hatten wir Lehrpersonen bei der Führung der Beobachtungsbögen. Zum Einen war es gar nicht so einfach, für jeden Schüler und jede Schülerin diesen Bogen in allen Aspekten gleich dreimal mit der nötigen Sorgfalt auszufüllen, zum Andern zeigte sich, dass Jugendliche, die sich unauffällig im Hintergrund hielten, kaum Material für eine entsprechende Bewertung lieferten. Es fiel uns schwer, unsere beiden Rollen Coach und "Bewerter" zu vereinen. Die pädagogische Beratung fiel deshalb nicht für jeden Jugendlichen gleich intensiv aus.
Wir sind aber trotzdem überzeugt, dass sich unsere Vorgangsweise bei der Bewertung bewährt hat. Die Bewertung wird den Jugendlichen gerecht, es kommen auch Kompetenzen zum Tragen, die bei Schularbeiten und Tests unberücksichtigt bleiben. Die Schülerpersönlichkeit wird in ihrer Ganzheit gesehen. Dieser Umstand wird besonders von den Jugendlichen begrüßt.

   
Drei Beispiel-Auszüge aus LERNTAGEBÜCHERN
 

Thema: Wohlstand für alle - Vision oder Möglichkeit?
Name: Andreas, Datum: 21.10.02.
Was habe ich in dieser Stunde gemacht?
Der Professor hat uns das Projekt vorgestellt und uns aufgefordert je nach Interesse Gruppen zu bilden. Also habe ich mich bei der Gruppe um Daniel und Martin beworben, bin aber nicht akzeptiert worden. Inzwischen waren die anderen Gruppen schon vollständig.
Was habe ich erreicht bzw. Neues gelernt?
Ich habe gelernt, dass die Letzten tatsächlich von den Hunden gebissen werden, da Patrizio und ich bei der Gruppenbildung übriggeblieben sind und wir nun ausgerechnet eine Zweiergruppe bilden müssen.
Wie ist es mir dabei ergangen, bin ich mit dem heutigen Ergebnis zufrieden? Warum?
Die ungute Erfahrung mit der Gruppenbildung ist mir ziemlich auf den Keks gegangen, trotzdem bin ich optimistisch, eine gute Gruppenarbeit mit Patrizio hinzukriegen und ich freue mich eigentlich schon auf das

Projekt. Thema: Aids und Grippe
Name: Hannes, Datum: 31.10.02.
Was habe ich in dieser Stunde gemacht?
Ich habe zu einer Statistik, in der die Anzahl der Neuinfizierten der letzten Jahre einiger Industrieländer aufgeführt sind, ein EXCEL-Diagramm erstellt. In der nächsten Stunde will ich versuchen, daraus einen Trend für die Entwicklung der kommenden Jahre zu erkennen.
Was habe ich erreicht bzw. Neues gelernt?
Ich habe gelernt, besser mit EXCEL-Diagrammen umzugehen. Zwar hatte ich schon Erfahrungen mit EXCEL-Diagrammen, doch wusste ich bisher nicht, dass man sich mit EXCEL in einem Diagramm die gewünschte Trendlinie und auch die zugehörige Funktionsgleichung anzeigen lassen kann.
Wie ist es mir dabei ergangen, bin ich mit dem heutigen Ergebnis zufrieden? Warum?
Jetzt habe ich eine konkrete Modellierungsidee, an der ich arbeiten kann. Ich will ein JAVA-Programm schreiben, das die Ausbreitung von AIDS simulieren soll. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Idee und mit der heutigen Stunde.

Thema: Kunstvolle Bögen, elegante Brücken
Name: Kai Datum: 09.11.02.
Was habe ich in dieser Stunde gemacht?
Ich habe mich heute besonders mit der Brücke über die Meeresenge von Messina beschäftigt. Diese Verbindung war schon ein Traum der alten Römer. Im Jahr 2011 soll sie endlich fertiggestellt werden.
Was habe ich erreicht bzw. Neues gelernt?
Ich habe versucht, Brückenbögen durch mathematische Funktionen zu beschreiben. Ich denke, dass sich Parabeln besonders gut dafür eignen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass es parabelförmige Brückenbögen erst seit dem 19. Jahrhundert gibt. Vorher wurde die Halbkreisform verwendet.
Wie ist es mir dabei ergangen, bin ich mit dem heutigen Ergebnis zufrieden? Warum?
Ja, ich bin recht zufrieden mit dieser Stunde. Ich habe gesehen, dass es bei der Konstruktion von Brücken tatsächlich Mathematik und Physik braucht. Das Arbeiten in der Gruppe ist angenehm, weil alle richtig mitmachen. So ist es auch nicht schwer, gute Ergebnisse zu erzielen.

   

Beispiel für einen Beobachtungsbogen für den Schüler / die Schülerin

 

 

Beobachtungskriterien

Funktionale Zusammenhänge: Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen realen Größen zum Zwecke des Erkenntnisgewinns in Form von Tabellen, Graphen, Termen oder Gleichungen beschreiben können

Formale Sprache der Mathematik: soweit sie bereits bekannt ist, nutzen können. Sie wird sichtbar bei der Präsentation, in der dokumentierten Arbeit, in der Diskussion mit Gruppe und Lehrer

Neue Werkzeuge anwenden können: INTERNET, EXCEL und DERIVE nutzen und effizient anwenden können, sich Hilfen aus Crash-Kursen oder Handbüchern holen können, im Forum und in der Galerie arbeiten können

Sich sachbezogen und eigenständig Informationen beschaffen können: Internet, Bibliothek, Lehrbücher, Fachzeitschriften, andere Lehrpersonen befragen

Kommunikationsfähigkeit: den Partnern in der Kleingruppe zuhören können, auf die Argumente des Vorredners eingehen können, ..., prüfen können, ob die eigenen Argumente bei den anderen verstanden worden sind, ..., Gefühle über .... äußern können, ..., Ideen vortragen können, auch wenn sie unsicher sind, ....

Verantwortung in der Gruppe: weiß um den aktuellen Arbeitsstand der Gruppe, erledigt die ihm/ihr zugewiesenen Aufgaben, drückt sich nicht vor der Arbeit, sorgt bei Abwesenheit, dass die Arbeit weitergehen kann, ist bereit, auch in der unterrichtsfreien Zeit weiterzuarbeiten

Präsentation des "Produktes" und des Arbeitsfortschrittes: Korrektheit der Sprache, Klarheit der Ausführungen, Informationsgehalt, Einhalten der Zeitgrenzen, Eingehen auf Diskussionsbeiträge und Fragen, Medieneinsatz (Art der Präsentation)

Bewertung: Sehr gut, Gut, Befriedigend, Genügend, Ungenügend

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