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Wenn
Lehrern die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Schüler am Herzen liegt,
dann muss jedes schulische Programm die Werterziehung miteinschließen.
Ein begabender Lehrer ist ein Lehrer, der mit seinem Unterricht Sinn vermittelt,
sich selbst sinnvoll einbringt und seine Schüler das Werten lehrt und
sie dadurch befähigt, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen.
Deshalb ist es an der Zeit, dass eine verstärkte Neubesinnung in Bezug
auf die moralische Erziehung in Unterricht und Schule einsetzt. Über die
Voraussetzungen, Aufgaben, Möglichkeiten und Schwierigkeiten dieser moralischen
Erziehung in Unterricht und Schule muss nachgedacht werden. Es müssen
Überlegungen angestellt werden, die dazu beitragen, solche grundsätzlichen
Einsichten zu vermitteln, die es dem Lehrer ermöglichen, sein Handeln
in der Schulwirklichkeit selbst als rational zu begründen und kritisch
zu überprüfen.
Ziel
der Werterziehung
Die
Förderung des Bewusstseins junger Menschen für Werte und deren Beziehung
zur Welt, in der sie leben, ist das Ziel der Werterziehung. Es geht darum,
zu versuchen, ein Bild zu vermitteln, welche Werte die Menschen in unserer
Gesellschaft für sich als verbindlich betrachten (wodurch diese unsere
Gesellschaft zu dem wird, was sie ist). Eine demokratische Gesellschaft
stellt hohe Anforderungen an die Fähigkeiten des Individuums, mit widerstreitenden
Werten umzugehen und selbstverständlich Entscheidungen zu treffen. Sie
verlangen vor allem Kritik- und Urteilsfähigkeit auf der Grundlage moralischer
Prinzipien. Also muss demokratischen Gesellschaften daran gelegen sein,
dass solche Fähigkeiten gefördert werden.
Erzieher, Lehrer wie Eltern, sind nicht dazu da, bloß Werte einzuüben,
sondern sie sind in erster Linie dazu da, dem Heranwachsenden zu helfen,
die bestehenden Regeln der Gesellschaft zu verstehen, sie selbstständig
anzuwenden und sich an dem politischen Diskurs über Änderungen von Regeln
zu beteiligen. Dafür braucht man Erzieher, die dem Heranwachsenden helfen,
die Fähigkeit zur Anwendung von Prinzipien selbst zu entwickeln und die
Kreativität dahingehend zu nutzen, um den Paradigmenwechsel vornehmen
zu können, der notwendig ist, um zu den tiefen Werten zu gelangen, die
mit den entwickelten Prinzipien übereinstimmen, die unseren Werten Bedeutung
verleihen.
Die Schule ist enorm wichtig für die moralisch-kognitive Entwicklung.
Auch die Eltern und andere Instanzen sollten hierbei mitwirken. Aber in
der Schule wird der Jugendliche zum ersten Mal nachdrücklich mit der Tatsache
konfrontiert, dass er Teil einer Gesellschaft und Teil der Menschheit
ist. Das macht große Entwicklungsanstrengungen auf der Seite des Schülers
erforderlich, bei denen die Schule, zusammen mit den Eltern, Hilfestellung
leisten muss.
Wichtig ist die Frage: Wie kann ich als Pädagoge dem Heranwachsenden klar
machen, dass sich Konflikte friedlich und vernünftig, das heißt durch
gemeinsame Übereinkunft auf der Basis allgemein anerkannter, moralischer
Prinzipien regeln lassen, wenn wir, die Erwachsenen, ihm durch unser eigenes
Verhalten zeigen, dass wir nicht gewillt, oder nicht fähig sind, unsere
Meinungen und Gewohnheiten einer kritischen Reflexion zu unterwerfen?
Darin ist wohl auch die Kluft zwischen dem versteckten und dem offiziellen
Lehrplan zu sehen.
Die Schule fördert also die kognitiv-moralische Entwicklung des Einzelnen
und damit die demokratische Kompetenz der Gesellschaft. Die Schule soll
möglichst vielen Kindern eine möglichst gute Allgemeinbildung geben, die
sie in die Lage versetzt, sich in unserer komplexen Gesellschaft zurechtzufinden
und über politische, wirtschaftliche, juristische und auch naturwissenschaftliche
Sachverhalte eine eigene fundierte Meinung zu bilden. Das ist ein unverzichtbarer
Beitrag der Schule zur Sicherung und Entwicklung der demokratischen Gesellschaft
(vgl. Harecker, Gabriele: Werterziehung in der Schule. Wien 1991, S. 41f).
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