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Erfahrungsbericht zur sachbezogenen Kommunikation auf Themenforen

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Der Erfahrungsbericht wurde von Marta Herbst-Spöttl geschrieben.

Worauf bei den Vorstellungen auf dem Forum zu achten ist, das zeigen sowohl die nebenstehenden drei ausgefallenen als auch die beiden gekonnten Bespiele zum Projekt "Aids und andere Epidemien"!

Anmerkung: Auf dem Forum befinden sich jeweils bis September eines jeden Jahres die Kommunikationen des Projektes "Modellieren mit Mathe" aus dem letzten Jahr.


 

 

Bereits bei diesen ersten Schritten der Online-Kommunikation
zeigen sich Hürden, wie die folgenden Beiträge aus dem Projekt 2002 zeigen. Jugendliche und auch Erwachsene verbinden Kommunizieren im Internet in erster Linie eher mit "Spiel, Spaß und Unterhaltung" und nicht mit Lernen. Sie denken bei Kommunikation im Internet zuallererst an das aus dem Freizeitbereich bekannte "eher lockere", und anonyme "Schwatzen" an einen "small talk" in Chat-Rooms.

  • Hi! Unsere Gruppe besteht aus Thea, Babsi und Peppe [heute nicht anwesend]!
    Wir sind vom Pädagogischen Gymnasium in Bruneck! Klasse 3D; DIE GEILSCHTE KLASSE ÜBOHAUPT!!!!!
    (geschrieben am 05.11.02 09:14)
  • HI Leute!!!
    Der Typ mit dem schwarzen Pulli ist voll geil! Wie heißt du?? Wir heißen Jenni (13), Ina (14) und Laura (14). Wir würden uns freuen, wenn was zurück kommen würde (von dem mit dem schwarzen Pulli). Cya Jil
    (geschrieben am 18.11.02 10:31)
  • Das ist unsere, die beste und geilste bisher !!!!!!! Wir sind die Cooooooooooooolsten der Welt!!!!!!!!!!!!!!!
    (geschrieben von OP ruft Dr.W am 29.11.02 09:31)

Andererseits gibt es aber auch "gelungene" Beispiele für eine beginnende Kommunikation. Hierzu auch wieder zwei Beispiele:

  • Hallo Südtirol, Hessen und NRW !!!!
    Wir sind eine fünfköpfige Gruppe vom Fichte Gymnasium aus Hagen (NRW).Wir, das sind Shkurta, Caroline, Jasmin, Marcel und Bianca, besuchen die 10te Klasse und beschäftigen uns zurzeit mit "Modellieren mit Mathematik". Bei diesem Projekt bearbeiten wir das Thema "AIDS und Grippe: Zwei moderne Epidemien?" wobei wir uns folgende Fragestellung überlegt haben: Ausbreitung von HI- und Grippeviren im Vergleich / Wir unterteilen in folgende Unterpunkte:- Häufigkeit der Erkrankung - Übertragungswege - Schutz - Inkubationszeit - Verlauf der Krankheit - Therapie
    (geschrieben von der Gruppe "Against AIDS" am 06.11.02)
  • Wir haben das Thema Aids & Grippe gewählt, weil wir uns selbst auch darüber Sorgen machen, und weil es uns und unsere Nächsten ebenfalls jederzeit betreffen kann. Wir hoffen, dass unsere Themen auf Interesse stoßen....
    Roman, Veronika & Elisabeth
    (geschrieben von der Gruppe "Memories" am 23.11.02)
Allgemeine Regeln für
Kommunikation, Verständigung und -Kooperation

 

 

 

Für kooperative und kommunikative Lernprozesse, also für konstruktives Lernen in der Kleingruppe oder auf Foren lassen sich Regeln beschreiben, die gelernt und eingehalten werden müssen. Ziel ist das Erreichen von Kompetenzen wie:

  • Beim Thema bleiben können und nicht abschweifen.
  • Die Bearbeitung des Themas oder eines Problems mit Anmerkungen und Fragen voran treiben können.
  • Fachliche Fragen oder Problematisierungen formulieren können.
  • Subjektive Meinungen und Einstellungen zum Thema oder zum Problem formulieren können.
  • Andere Meinungen und Einstellungen akzeptieren und darauf in angemessener Sprache reagieren können.
  • Vorschläge zur fachlichen Problemlösung formulieren können, auch dann, wenn man nicht sicher ist, dass sie zum Ziel führen.
  • Konstruktiv auf die Ideen und Vorschläge der anderen eingehen und Entscheidungen im Abwägen von Pro und Kontra herbeiführen können.
Insbesondere gelten diese Regeln bei einer
Online-Verständigung,
bei der zusätzlich noch auf interkulturelle Besonderheiten Rücksicht zu nehmen ist!
 

Bei ersten Erfahrungen mit der Online-Kommunikation wird deutlich, dass nicht vorausgesetzt werden darf, dass Jugendliche die genannten Regeln einer sachbezogenen internationalen Online-Kommunikation von sich aus können. Sie beherrschen zwar problemlos die technischen Kommunikationsmittel, das Führen einer inhaltlichen Diskussion über das Netz, und zwar unter Einhaltung der üblichen "Netiquette", müssen sie aber erst lernen und üben.

   
Kommunikationsfähigkeit ist eine hohe menschliche, soziale Fähigkeit und Leistung. Sie muss als solche anerkannt und daher auch bei der Leistungsbewertung mit berücksichtigt werden.
  Um eine themen- oder problemorientierte Kommunikation führen zu können, müssen Schülerinnen und Schüler lernen zu argumentieren und zu kritisieren, zu assoziieren, zu fragen und zu antworten, zu erzählen, zu berichten, zu erläutern und vorzutragen. Hierfür ist es notwendig, dass sie immer wieder die Gelegenheit dazu bekommen, diese Fähigkeiten zu üben; etwa durch dialogische Gesprächsformen wie freie Aussprache, Gruppengespräch, Paargespräch, Kreisgespräch, Verhandlungsgespräch, Arbeitsgespräch, Streitgespräch, Podiumsgespräch und Rollenspiel. Die Leistung ist zu bewerten!
   

Beispiele von Präsentationen auf dem Forum

Die meisten Gruppen machen davon Gebrauch, ihr Ergebnis als xls oder doc oder ppt Datei einer kurzen Notiz auf dem Forum anzuhängen.

 

Mit der "weltweiten" Bekanntgabe des selbstgewählten Arbeitsauftrages auf den Foren bauen die Jugendlichen die Erwartung auf, nach einer bestimmten Arbeitszeit Ergebnisse präsentiert zu bekommen. Sie verspüren selbst auch die Verantwortung, Ergebnisse präsentieren zu müssen. Hierzu wiederum zwei Beispiele von Präsentationen zum realen Problem "Aids und andere Epidemien":

Gruppe "Blond" am 02.12.02

Wir haben in den 1. Klassen der Handelsoberschule Meran eine Umfrage durchgeführt. Es wurden ca. 90 Schüler befragt die 13 bis 15 Jahre alt sind. Ziel dieser Aktion war es, herauszufinden wie gut diese über Aids und Grippe Bescheid wissen. Dabei haben wir herausgefunden dass die befragten Schüler teilweise mangelhaft informiert sind.

  • Etwas mehr als die Hälfte der Befragten weiß, dass man Aids an äußeren Zeichen nicht erkennen kann, wobei 30% meinen die Immunschwäche sehen zu können und 15% keine Ahnung haben.
  • Drei Viertel der Testpersonen sind davon überzeugt, man könne sich mit dem HI-Virus auch infizieren wenn die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist. 20% waren anderer Meinung. Die Restlichen gaben an, keine Ahnung zu haben.
  • Im Bereich Vorsorge sind die Schüler ziemlich gut informiert. Nämlich wissen 99% der befragten Jugendlichen, dass man sich durch Kondome schützen kann.
  • Über die Hälfte meint, Frauen seien gleich gefährdet wie Männer, aber dem ist nicht so.
  • Alle sind sich darüber einig, dass man sich nur über Körperflüssigkeiten anstecken kann.
  • Ebenso stufen alle AIDS als gefährliche Krankheit ein.
  • Während 65% der Befragten meinen, dass die Tröpfcheninfektion verantwortlich für die Übertragung des Grippevirus ist, meint ein Viertel, dass die Krankheit durch Geschlechtsverkehr übertragen wird. Lediglich ein Zehntel ist der Meinung, dass man sich durch einen Händedruck anstecken kann.
  • Nur 18% gaben bei der Umfrage an, Grippe als Bedrohung zu empfinden. Der Rest findet, die Krankheit sei nicht bedrohlich.

Gruppe "Blond" am 10.12.02

Wir haben versucht mathematisch zu modellieren, wie sich ein Virus ausbreitet, wenn man von bestimmten Annahmen ausgeht. Wir haben folgende Ausgangsposition: Eine bestimmte Anzahl von Personen ist Infiziert. Weiteres nehmen wir in unserem Modell an, dass jährlich ein gewisser Prozentsatz (20%) angesteckt werden. Das heißt die Anzahl der Infizierten nimmt jährlich um den angenommenen Prozentsatz zu. Z.B. sind es am Anfang 10 Personen, die infiziert sind und die Zunahme pro Jahr beträgt 20%, so sind es nach einem Jahr 10 + 20% = 12 Personen. Bei gleichbleibendem Prozentsatz sind es nach 2 Jahren 12 + 20% von 12 = 14,4, also ca. 14 Personen. Man sieht: Die Zunahme wird größer. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Zeit die vergeht (jeweils ein Jahr) und der Anzahl der Personen, die infiziert sind. Man sieht, dass diese Zahl nicht gleichmäßig ansteigt. Diesen Zusammenhang wollen wir nun versuchen allgemein zu beschreiben. Am Anfang - Zeitpunkt Null (Jahr0) haben wir eine bestimmte Anzahl die infiziert ist. Nach einem Jahr erhalten wir 20% von Jahr 0 dazu, d.h. Jahr1 = Jahr0 + 20% von Jahr0 = Jahr0 + 0,2*Jahr0 = Jahr0*(1+0,2) = 1,2*Jahr0. Nach zwei Jahren erhalten wir 20% von Jahr1 dazu, also Jahr2 = Jahr1 + 20% von Jahr1 = Jahr1 + 0,2*Jahr1 = 1,2*Jahr1 also Jahr2 = Jahr0*1,2*1,2 = Jahr0*1,2^2. Ebenso für Jahr3 = Jahr 0*1,2^3. Und dann nach n Jahren erhalten wir: Jahr n = Jahr 0 * 1,2 n.

Anhang: Aids_und_Grippe(Ausbreitungszeit).xls

   

Es ist eine gewaltige Herausforderung für Lehrende wie für Lernende, die auf den Präsentationen aufbauende Reflexion und Kommunikation zu initiieren und zu führen.

 

 

 

 

 

 

Die Inhalte der Präsentationen und die Ergebnisse der mathematischen Modellierungen, die direkt auf dem Forum oder als herunter ladbarer Anhang vorgenommen wurden, zeigen, dass nach einem gegenseitigen Lesen der Veröffentlichungen die Kommunikation zwischen den Gruppen eigentlich weitergehen müsste. Eigentlich müsste jetzt eine Kommunikation mit zwei inhaltlichen Schwerpunkten einsetzen: erstens über das benutzte mathematische Modell, die vorgenommenen Vereinbarungen, die Grenzen des Modells und zweitens über die Folgen des Ergebnisses in Zusammenhang mit dem realen Ausgangsproblem, mit der Sache selbst und insbesondere mit deren gesellschaftlichen Relevanz. Leider aber ist für die meisten Schülerinnen und Schüler zunächst die Luft raus. Die Jugendlichen sind froh, ihr Werk mit einer Präsentation beendet zu haben.
Erst eine gemeinsame kritische Reflexion, sowohl über die Qualität der mathematischen Modelle als auch über die Interpretation der Lösungsvorschläge in Hinblick auf das reale Problem, führt dann zu einer gezielten Kommunikation und Kooperation. Im Idealfall könnte es zwischen verschiedenen Gruppen zu einer gemeinsamen Überarbeitung, zu Anpassungen und Ergänzungen des mathematischen Modells und in der Folge zu einer gemeinsam verantworteten Arbeit kommen.
Ein Schritt in diese Richtung könnte sein, folgende zwei Phasen vorzusehen:
Eine erste kritische Reflexion findet im schützenden Rahmen der eigenen Klassen statt. Sie ist Grundlage für die Systematisierung der mathematischen Inhalte, für die Behandlung der neuen Schwerpunkte im folgenden Mathematikunterricht. Die Schülerinnen und Schüler erhalten die Gelegenheit, Argumente für ihre vorgeschlagene Lösung zu vertiefen und entsprechendes mathematisches Wissen zu vertiefen.
In einer zweiten Phase, zeitlich zwischen den verschiedenen Lehrpersonen vereinbart, gibt es dann eine neue Kommunikation zwischen den Gruppen. Erklärtes Ziel dieser Kommunikation ist, die zum Problem präsentierten verschiedenen Lösungen bzw. Ergebnisse gemeinsam zu diskutieren, die verschiedenen behandelten Teilaspekte zu einem Ganzen zusammenzufügen und somit gemeinsam einer möglichen "Gesamtlösung" für das reale Ausgangsproblem, in seiner ganzen Komplexität, näher zu kommen.

   
In den Evaluationen
gelaufener Projekte wurden auch noch die nebenstehenden Probleme mit der Kommunikation deutlich.

 

 

Ein nicht zu unterschätzendes Problem für die Kommunikation und Kooperation anhand solcher veröffentlichten Ergebnisse ist allerdings, dass die Gruppen in einem sehr unterschiedlichen Zeittakt arbeiten, und daher ein rasches Reagieren auf den Foren nur zum Teil gelingt. "Unendlich" langes Warten auf Rückmeldungen von Seiten der anderen, am Problem arbeitenden Gruppen, lässt das Interesse an einer sachbezogenen Diskussion schnell auf den Nullpunkt sinken und jeder arbeitet einfach an seiner eigenen Lösung weiter.
Immer wieder wird auch deutlich, dass mit technischen, organisatorischen und methodischen Schwierigkeiten im Unterricht gerechnet werden muss und dass besondere planerische und pädagogische Vorleistungen bei den Lehrpersonen und in den Schulen zu erbringen sind, damit Online-Kommunikation und -Kooperation gelingen können. Vor allem eine genaue Planung der Nutzungsmöglichkeiten der PCs mit Internetverbindung ist für die Klassen von großer Wichtigkeit.
Die von den beteiligten Lehrpersonen vereinbarten Zeitspannen für die Kommunikation über Teilergebnisse und Ergebnisse zwischen den einzelnen beteiligten Klassen muss möglichst genau eingehalten werden.

   

Und: Was sonst noch zu tun ist?

 

 

Zu allen realen Problemen in der Lern- und Arbeitsumgebung werden den Schülerinnen und Schülern in Zukunft auch noch Anregungen zur Kommunikation und Kooperation mit Anderen, in derselben Klasse, an anderen Orten, in anderen Kulturräumen, angeboten. Denn: erstens wird durch Kommunikation und Kooperation auch das individuelle, fachliche Lernen qualitätsvoller und zweitens können Prozesse interkultureller und internationaler Verständigung nur durch Kommunikation und Kooperation eingeleitet, angeleitet und gefördert werden. Nur durch Kommunikation und gegenseitiges Verstehen kann u.a. soziales und interkulturelles Wissen entstehen, das eine Grundlage für Demokratie- und Konfliktfähigkeit sowie für Verständigung und Toleranz ist.

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