Der Mann aus Zelary
Kveta Legátová
Verlag:
dtv
2004
ISBN
3423244208
12 Euro
Seitenzahl:
156
Schriftgröße:
normal
Kategorie:
Nachdenkliches
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Dezember 2004
Der Mann aus Zelary
Kveta Legátová
Die Autorin des dünnen Bandes führt uns in das Protektorat Böhmen und Mähren, in das Jahr 1942/43, also in die Zeit des großen Krieges. Bis in die letzten Winkel und in die entlegensten Bergdörfer hat der Naziterror bereits seine Todesspuren gelegt, und nur zaghaft regt und organisiert sich der Widerstand im Untergrund. Die junge Ärztin Eliska leistet Kurierdienste für eine Widerstandsgruppe in Brünn, als sie sich plötzlich durch Flucht der Verhaftung durch die Gestapo entziehen und eine neue Identität annehmen muss.
Die Heirat mit Joza, einem ihrer Patienten, ist für den Ernstfall schon vorbereitet. Sie ziehen gemeinsam in das Bergdorf Zelary an der slowakischen Grenze. Nun nimmt eine Liebesgeschichte ihren Anfang, die den Leser bis zur letzten Seite in Atem hält. Trotz Angst, Bitterkeit und Enttäuschung gewinnt Hanah, so der neue Name unserer „Heldin“, nach und nach Zutrauen zu Joza, hatte sie ja bereits im Krankenhaus eine besondere Gabe an ihm entdeckt: er konnte erzählen. Und in kurzer Zeit erahnt sie die Quelle seiner suggestiven Kunst. Es ist seine Seele.
Von der dichterischen Schönheit seiner einfachen und ungekünstelten Worte kann sie gar nicht genug bekommen. Seine Märchen werden ihr zur neuen Heimat inmitten einer fremden und unwirtlichen Welt. In ihrer armseligen Hütte lernt sie den Haushalt führen und trotzt mit innerem Stolz dieser gefräßigen Zeit. Seite an Seite mit ihrem Mann wächst eine tiefe Zuneigung, eine Liebe, die keiner großen Worte bedarf. Nichts könnte diese Nähe treffender beschreiben als die Zeile eines Volksliedes dieser Gegend:
„Wo ich allein geh,
nur Berg, Tal und Grund.
Wo ich mit dem Liebsten geh,
sind die Wege bunt.“
In der Natur und im täglichen Leben mit den einfachen Menschen dieses Bergdorfes schöpft Hanah neue Kraft und malt sich ihre eigenen Bilder des Glücks. Ist sie am Ziel ihres Lebens angekommen?
Als im Osten der Kampf um Stalingrad endet, nähern sich die Russen der Grenze und färben den Himmel von Zelary blutrot. Hanah ahnt, dass Schatzsucher mit ihrem Blick in die Ferne einen verhängnisvollen Fehler begehen. Denn dort ist der Ort des Verschwindens. Ihre Gedanken streifen die gegenseitige Liebe.
„ Ich marschierte wie ein Soldat, dem die Trommler den Takt vorgeben. Meine Seele hatte mich verlassen. Sie irrte über die Berghänge und wachte über sinnlose Gräber. Liebe ist das am geringsten geachtete Wort im menschlichen Vokabular. Fast alles lässt sich so bezeichnen. Alle Begierden, selbstsüchtigen Angewohnheiten, Neid, sogar Hass und Arroganz. Mein Verhältnis zu Joza verdiente eine genauere Untersuchung. Es ließ sich nicht benennen. Jedenfalls nicht einfach. Es war Freundschaft, Zärtlichkeit, Mitgefühl, aber auch Angst und Verzweiflung.“ (…)
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Josef Duregger
(54) ist
von Beruf Inspektor und
wohnt in Bruneck. |
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Buchvorschlag von
Josef Duregger
Manchmal
leuchtet ein Buch
als Stern
auf meinem Himmel“ (…)
R. Ausländer
Die Vorbereitung meines Leserucksacks für den Sommer ist mit den Jahren zum Ritual geworden, das nicht weniger Zeit beansprucht als die Planung einer mehrtägigen Alpintour. Lesen ist eben eine Wanderung nach innen, in das Reich der Dichtung, ein Abenteuer allemal. Wochen vorher hole ich mir Rat bei guten Freunden und Bekannten und nicht selten eröffnen mir diese Gespräche über Literatur tiefe Einblicke in die Seele der Menschen. So auch diesmal.
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