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Skizze einer Filmanalyse, auch Anregungen für
das Fotografieren und für Tonaufnahmen
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Die
Stellung der Kamera
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Sie ist entscheidend
für die Perspektive und die Aussage eines Bildes. Man unterschiedet:
- Aufsicht (Vogelperspektive),
- Obersicht,
- Normalsicht (Augenhöhe),
- Untersicht und
- Froschperspektive
Ein jeweils gleicher
Gegenstand oder ein Mensch erfahren durch die unterschiedliche Perspektive
eine unterschiedliche Akzentuierung. Die Froschperspektive kann einen
großen Mann ins Lächerliche ziehen und dient oft der Karikierung. Anderseits
wirken aus der Froschperspektive gezeigte Bilder von Soldaten oft monströs
oder auch überhöht. Der Mensch verliert sein "Normalmaß", die Kamera "manipuliert"
die durchs Objektiv erfasste Welt nachdrücklich. Die Aufsicht verkleinert
das Gezeigte und wird gelegentlich bei Schwenks über viele Menschen (Bilder
von Flüchtlingslagern) genutzt. Die Augenhöhe bietet in aller Regel ein
optisches "Normalmaß".
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Einstellungsgrößen
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Bei
der Kameraeinstellung unterscheidet man weiter zwischen:
Detail
Aufnahme aus kurzer Distanz; Gesichtsausschnitt, Detail eines Gewehres,
Fliegen auf einem Körper etc. Die natürliche Sicht ist aufgehoben, es wird
stark akzentuiert. Auf dem Fernsehschirm kommt das Detail gut zur Geltung.
Es erzeugt Intimität, unter Umständen auch suggestive Nähe.
Groß
Die Aufnahme zeigt einen Ausschnitt, der bei Personenaufnahmen an ein Passbild
Ausschnitt erinnert (Schulter aufwärts). Die Großaufnahme wird beim Fernsehen
gerne zur Auflockerung in einem Interview verwendet. Da das Bild sehr direkt
und suggestiv wirkt, wird diese Technik nur zeitweise eingesetzt. Auf Dauer
wirkt das Bild "zudringlich", es durchbricht gewissermaßen die persönliche
Aura.
Nah
Es entspricht einem Brustbild. Der Hintergrund ist noch erkennbar. Die Mimik
ist noch gut zu erkennen.
Halbnah
Diese Einstellung zeigt die Menschen etwa ab den Knien aufwärts. Der räumliche
Kontext ist nicht ausdifferenziert.
Halbtotale
Die Einstellung zeigt die Menschen in ihrem Umfeld. Sie ermöglicht dem Zuschauer
eine örtliche Orientierung. Im Fernsehen ist sie wichtig weil, der "kleine"
Bildschirm hier, auf dem Weg zur Totalen, eine ästhetische Grenzziehung
markiert. Darüber hinaus geht die Intimität des Fernsehen verloren oder
wandelt sich doch ganz entscheidend.
Totale
Sie ermöglicht den Überblick über einen ganze Szene oder Situation. Vieles
lässt sich erkennen und auch - dank eigener Erfahrung - einordnen. Die Totale
erlaubt ein "Vor -Urteil", doch unterschlägt sie auch notwendigerweise viele
Einzelheiten. Die Totale aus dem Hubschrauber über einem Flüchtlingscamp
deutet nur grob etwas an. Das Leid wird dabei nicht "hautnah" sichtbar.
Unangenehmes lässt sich aus dieser Distanz diskreter einfangen, der Schecken
wird so entschärft. Im Fernsehen ist die Totale wegen geringer Auflösung
auf kleinem Bildschirm stets ein Kompromiss.
Weit
Die Einstellung lässt sich mit einem Weitwinkelobjektiv erreichen. Es ist
eine Optik mit kurzer Brennweite, die einen besonders "weiten" Blickwinkel
auf Landschaften, Städte etc. eröffnet. Die Tiefenwahrnehmung ist verstärkt,
die Ränder sind jedoch verzerrt. Für Eigenproduktionen des Fernsehens ist
das Verfahren nicht geeignet. Umgekehrt verlieren Spielfilme, die mit weiten
Einstellung operieren bei Abspielung über den Bildschirm. |
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Kamerabewegung
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Die
stationäre Kamera kann sich um drei Achsen bewegen und damit das Bild bestimmen:
waagerecht (Schwenk), senkrecht (Neigen) und quer (Rollen) |
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Kameraposition
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Die
unterschiedliche Kameraposition erfasst jeweils einen unterschiedlichen
Wirklichkeitsausschnitt und setzt sich zu dem Gezeigten in ein bestimmtes
Verhältnis. Die getroffene Entscheidung des Kameramannes ist damit keine
"beliebige" und manipuliert ganz absichtsvoll. |
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Kamerafahrt
(echte Fahrt)
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Die
Kamerafahrt auf dem Schlitten (Auto, Kran, Dolly) vermittelt die Vorstellung
von einer Bewegung im Raum. Diese Technik ermöglicht u.a. konstante Nähe
zu einer Person. Für die dokumentarische Filmarbeit ist das Verfahren jedoch
in aller Regel zu aufwendig. Stattdessen wird die optische Fahrt mit dem
Zoom realisiert. |
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Zoom
(optische Fahrt)
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Durch
stufenlose Veränderung der Brennweite entsteht eine scheinbare Fahrt vor-
oder rückwärts. Die perspektivische Wirkung ist eine andere als bei der
echten Fahrt: Im Zoom verändert sich das Verhältnis von Hintergrund zur
Person. |
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Freie
Kamera
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Sie
wird bei der aktuellen Berichterstattung häufig verwendet, weil der technische
Aufwand gering ist. Frei geschultert wird die Kamera zum engagierten Beobachter,
der seinen Gegenstand verfolgt. Das möglicherweise unscharfe Bild durch
Verwackeln ist dabei gleichzeitig ein Zeugnis vermeintlicher oder tatsächlicher
Aktualität. Die freie Kamera ist die Grundlage der aktuellen Reportage. |
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Bildschnitt
und Montage
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"Erst
wenn man im Schneideraum ist, erkennt man die Bedeutung genauer Überlegungen
während der Dreharbeiten. Denn bevor man sein Material nicht von innen heraus
verstanden hat, kann man nicht hoffen, dass man es zum Leben erwecken wird.
Kein noch to großer Aufwand beim Schnitt wird Einstellungen Bewegung einhauchen,
wenn man nicht während des Drehens auf seine Bilder geachtet hat." (Paul
Rotha: Documentary Film. London 1936, S. 198.)
Mit der Bearbeitung des filmischen Rohmaterials, dem Aussondern und Selektieren,
greift das technische Produktionsteam aktiv in den filmischen Interpretationsprozess
ein. Überflüssiges oder störendes Filmmaterial wird ausgesondert. Dabei
dient der Schnitt auch der Zeitverkürzung und greift "ordnend" in den Produktionsprozess
ein. Der Wechsel von Bildgröße und Bildwinkel konstituiert das filmische
Ergebnis und integriert das Gezeigte aus einem ganz spezifischen Blickwinkel. |
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Ton-,
Sprech- und Sprachmaterial
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Die Reportage lebt
in vielfacher Hinsicht von dem Zusammenspiel der optischen Botschaft mit
dem akustischen Klangteppich. Dieser wird in aller Regel auf Originaltönen
(O-Ton) vom Drehort bestehen (Straßenlärm, Kinder spielen, Kriegslärm).
Unter Umständen muss der O-Ton vom Drehort nachvertont werden, was im
Allgemeinen für den unterlegten Kommentar ohnehin gilt. Durch die Wahl
der akustischen Mittel können emotionale Aspekte betont werden. Der erst
im Studio unterlegte populäre Drina-Marsch oder Musik aus Somalia suggerieren
sicherlich eine affektive Nähe zu den Themen Krieg in Ex-Jugoslawien oder
Hunger am Horn von Afrika. Der nonverbale musikalische Zugriff kann ein
ausdrucksstarkes Mittel im Kontext der Reportage sein. Mit Musik schafft
man insbesondere (Vgl. Gerhard Schult/Axel Buchholz (Hrsg.): Fernsehjournalismus.
München/Leipzig 1993, S. 101f.)
- Atmosphäre: Kinder
singen, Musik erklingt von einem Dorffest, Soldaten machen Marschmusik.
- Zäsuren, Auftakte
uns Schlussakzente.
- Leitmotive. Die
schaffen fast immer eine Kommentierung. Ergebnisse, Personen und Dinge
unterliegen der Wertung.
- Integration von
widersprüchlichen Bildern. Schnittstellen lassen sich unauffälliger
überdecken. Ein affektives Kontinuum lässt sich aufbauen.
- Akustische Abbildung
der Bildinhalte. "Verdopplung" des Bildes durch die Musik. Dramaturgisch
problematisch, weil das tautologische Verfahren wenig überzeugend ist.
- Retrospektiven.
Der Blick
in die Vergangenheit kann durch Musik "verkürzt" werden. Assoziation
dominiert. Die ausladende Diskussion lässt sich "verkürzen".
Im zeitgenössischen
Dokumentarfilm wird Musik jedoch sparsam umgegangen. Die Gefahr der falschen
Akzentuierung oder der Parteilichkeit ist gegeben.
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Sehen
und Hören
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"Bild
oder Ton - das ist nicht die Frage. Je nach Inhalt und Darstellungsform
hat zuweilen das Bild, zuweilen der Ton die größere Aussagekraft. Grundsätzlich
stehen beide gleichberechtigt nebeneinander. Nur das sinnvolle Zusammenführen
von Bild und Ton ergibt das, was gutes Fernsehen ausmacht.Auf dem Gebiet
der Vertonung sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Die Ambivalenz ihrer
Einsatzmöglichkeit erschwert das Festlegen von Regeln. Intuition, Gespür
für das Wesentliche und Subtilität in der Handhabung sind gefragt. Wer das
erkennt und bereit ist, auch mit dem "Ton" bewusst und gezielt umzugehen,
hat ein hervorragendes Mittel an der Hand, seinen Beiträgen die gebührende
Akzeptanz zu verschaffen." (Ebd., S. 1065) |
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Der
Kommentar in der Reportage
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Der Kommentar in einer
Reportage, in einem Feature oder einem aktuellem Bericht steht immer in
Konkurrenz zur vermittelten Bildersprache. Es kann gefragt werden:
- Decken sich Bild
und gesprochenes Wort? Stehen beide in einem eindeutigen Verhältnis?
- Was belegen die
Bilder, was belegt die Sprache?
- Erscheint der Reporter
neutral, unbeteiligt, überlegen, nicht betroffen oder engagiert?
- Beantwortet er
Fragen - hat er auf alles eine Antwort parat?
- Wie werden Verweise
zur Geschichte hergestellt; eher im Bild? Mehr durch den Kommentar?
- Bedient sich der
Kommentar vieler Floskeln und "geflügelter Begriffe"? (Serben-Hochburg;
Bevölkerungsexplosion, Fundamentalisten, Kriegstreiber etc.)
In großer Strenge
könnte man folgern, dass die Reportage kein Kommentar sei und umgekehrt.
In der Praxis lässt sich freilich die Trennung kaum aufrechterhalten.
Der Auslandkorrespondent vor Ort kommentiert fast immer indem er berichtet
oder reportiert. Er ordnet ein, interpretiert und gibt Meinungen wieder.
Das Publikum, das Tausende von Kilometern vom Brennpunkt des Geschehens
lebt, erwartet mit Fug und Recht den "ordnenden" Kommentar, die Hilfestellung
des Journalisten bei der Einschätzung von Konflikten. Das Sozialprestige
der Auslandkorrespondenten ist ganz erheblich. Dem einsamen Journalisten
am Horn von Afrika oder auf dem Balkan hat das Publikum idealtypisch die
Meinungsführerschaft übertragen. Daher ist es notwendig, sich immer wieder
nach dem rhetorischen Implikationen der Berichte zu fragen, ihre Strukturen
zu beschreiben. Nedad Pejic, der ehemalige bosnische Fernsehdirektor,
erklärte, es sei unmöglich, in Kroatien und Serbien ohne Fernsehen Krieg
zu führen. "Wenn man einen Krieg will, dann braucht man Fernsehen, braucht
man ein Beeinflussungsinstrument". (Zitiert in : Detlef Kleinert: Inside
Balkan. Opfer und Täter. Wien und München 1993, S. 45). Auch der umgekehrte
Fall der humanitären Hilfe, ausgelöst durch das Fernsehen, ist denkbar,
wie in Somalia. Aber immer steht das Fernsehen mit seinen Bildern und
seiner Sprache dazwischen.
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Literatur:
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James Monaco: Film
verstehen. Reinbek bei Hamburg 1980;
Karel Reisz/Gavin
Millar: Geschichte und Technik der Filmmontage. München 1988;
Werner Faulstich/Hans-Werner
Ludwig (Hrsg.): Einführung in die Filmanalyse. Tübingen 1980(2)
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Letzte Änderung: 04.10.2006
© Pädagogisches Institut für die deutsche Sprachgruppe
- Bozen. 2000 -
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