Walter von der Vogelweide
Walther von der Vogelweide ist einer der bekanntesten Minnesänger.
Trotzdem ist über sein Leben recht wenig bekannt.
Man weiß nicht einmal genau, ob er in Südtirol, Böhmen oder Niederösterreich geboren wurde.
1230 starb er in Würzburg.
Über das Leben des schöpferischsten Lyrikers und Minnesängers der mittelhochdeutschen Klassik ist
urkundlich fast nichts bekannt; nur seine Dichtung gibt einige Auskunft:
Danach war Walther von der Vogelweide ein landloser Ministerialer aus niedrigem österreichischem
Adel, lernte den Minnesang 1190-98 am Wiener Hof der Babenberger vom Dichter Reinmar von
Hagenau.
Im Anschluss daran führte er ein jahrelanges Wanderleben als fahrender Ritter und stellte seine Kunst in
den Dienst verschiedener Fürsten. Ein Danklied ist an Kaiser Friedrich II. gerichtet, der ihm um 1220 im
Raum Würzburg ein kleines Lehen schenkte.
Walther brachte die Formkunst der höfischen Minnelyrik zu höchster Vollendung und überwand gleichzeitig
ihre Stilisierung und Vergeistigung durch eine neue intensive Erlebniskraft und Gefühlswärme unter Betonung
der Gegenseitigkeit als Minne-Ideal. Er verließ die höfisch-ständischen Grenzen und besang auch die
Schönheit der einfachen, nichtadeligen Frauen, wobei natürliche Sinnlichkeit und seelische Erhebung zu
einer anmutigen Einheit werden.
In seinem Alterswerk verherrlichte Walther den Kreuzzug (1227-29) und trauerte um den Verfall der
höfischen Sitte und Kultur sowie um den Niedergang des Stauferreiches
Bedeutend ist Walther von der Vogelweide auch deshalb, weil seine Lieder nicht nur von der Liebe handelten,
sondern auch politische Inhalte hatten. In seinem Lied "Ich saß auf einem Stein" machte er sich über die
Streitigkeiten der deutschen Fürsten bei der Königswahl Gedanken. Zu dieser Zeit (1198) regierten zwei
Könige in Deutschland, die darum stritten, wer der richtige König wa
Walther von der Vogelweide hinterließ 140 Sangspruchstrophen und rund 75 mehrstrophige Lieder.
Ich saz ûf eime steine
(Mittelhochdeutsche Version) |
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Ich saß auf einem Stein
(Neuhochdeutsche Übertragung) |
Ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine,
dar ûf satzt ich den ellenbogen;
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben.
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keines niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot.
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
die wolte ich gerne in einen schrîn:
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen;
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze,
fride unde reht sint sêre wunt.
diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei enwerden ê gesunt. |
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Ich saß auf einem Stein,
hatte Bein über Bein geschlagen,
den Ellbogen drauf gestützt,
in die Hand schmiegte ich
Kinn und Wange.
Mit allen Gedanken fragte ich mich,
wie man auf der Welt leben sollte.
Ich wusste keinen Rat,
wie man drei Dinge gewinnen kann
und keines verlieren und verderben.
Zwei sind Ehre und Güter der Welt,
die beide sich oft befeinden,
das dritte ist Gottes Gnade,
in ihrem Goldglanz beide überstrahlend.
Gern hätte ich sie alle in einem Gefäß.
Doch ach, es kann nicht sein,
dass weltliche Güter und Ehre
und dazu Gottes Gnade
in einem Herzen sich finden.
Stege und Wege sind ihnen verstellt,
Verrat liegt im Hinterhalt,
auf den Straßen herrscht die Gewalt,
Friede und Recht sind auf den Tod verwundet.
Bevor die zwei nicht genesen sind,
gibt es für die drei nicht Schutz noch Sicherheit. |
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Mag. Gabriele Neumann |
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