Schüler-Streitschlichter-Programm
von Karin Jefferys und Ute Noack, AOL-Verlag, Lichternau 1995
Mit Veröffentlichung des Harvard-Konzeptes gewinnt die Mediation - ein kooperatives, nicht-disziplinarisches aber formalisiertes Verfahren - als Alternative oder als Ergänzung zu „Gerichts"verhandlungen an Bedeutung, weil dadurch Konflikte besser geklärt, Entscheidungen leichter herbeigeführt und Einigungen oftmals stabiler erzielt werden können.
Jefferys & Noack übertragen in ihrem Buch die Mediation auf die Schule und nutzen dabei auch grundlegende Erkenntnisse von Glasl, Redlich und Besemer. In einem Streit- oder Konfliktfall sollen Gleichaltrige die Rolle des Mediators oder der Mediatorin (Schlichter/inn) übernehmen.
Im ersten Kapitel „Kooperatives Konfliktlösetraining" werden - aufeinander aufbauend - 16 Unterrichtsstunden beschrieben und 31 Arbeitsbögen sowie 18 Folien angeboten zu den Unterrichtsthemen:
1. Konflikte und Konfliktausgänge,
2. Toleranz und Einfühlung,
3. Gefühle erkennen und ausdrücken,
4. Selbstkontrolle und Ermutigung,
5. Sich akzeptabel mitteilen,
6. Zuhören und Konzentrieren,
7. Aktives Zuhören,
8. Vorbereitung der Konfliklösung und
9. Kooperative Konfliktlösung.
Im zweiten Kapitel „Die Schüler-Streit-Schlichter-Ausbildung" werden in derselben Weise 14 Unterrichtsstunden beschrieben und 13 Arbeitsbögen und 16 Folien angeboten zu den folgenden Themen:
1. Grundlagen der Schlichtung,
2. Vorurteile,
3. Vorbereitung und Einleitung der Schlichtung,
4. Austausch der Standpunkte,
5. Lösungsphase,
6. Abkommen und Schlusswort,
7. Nach der Schlichtung,
8. Ko-Schlichtung und
9. Abschluss der Ausbildung.
Sowohl die Unterrichtsentwürfe als auch die Arbeitsbögen und Folien geben eine Fülle an Anregungen und auch eine Menge an umsetzbaren Tipps. Sie gleichen denen, die von Faller & Kerntke & Wackmann sowie von Hagedorn gegeben werden. Insgesamt ist bei allen festzustellen, dass sehr viele Anregungen genau denen entsprechen, die auch schon im Zusammenhang mit der Förderung des „Sozialen Lernens" in den 70ger Jahren - in Programmen wie WiLuk (we luk us: wir lernen uns kennen) - beschrieben wurden. Der Unterricht wird von Karin Jefferys und Ute Noack als praxiserprobt und erfolgreich beschrieben.
Trotz allem sei kritisch angemerkt:
Der vorgeschlagene Unterricht ist linear, in kleine Elemente didaktisiert und instruktional orientiert. Immer wieder werden in Übungen Verhaltensweisen eintrainiert, ähnlich der der Paukerei des kleinen Eins-und-Eins. Dies ist die Methode des operanten Konditionierens. Mit ihrer Hilfe soll Kooperation gelernt werden und ein Vorratswissen in den Köpfen der Lernenden geschaffen werden, das im Falle eines Falles verfügbar sein soll.
Neben dieser grundsätzlichen lerntheoretischen und methodischen Kritik, ist außerdem zu fragen, welches Fach für dieses Training 30 Unterrichtsstunden (das sind bei 5 Wochenstunden sechs Wochen) zur Verfügung stellen soll? Die Mediation dürfte wohl besser - sowohl inhaltlich wie unterrichts- und schulorganisatorisch - in einem praxisrelevanten, situationsorientierten und projektorientierten Unterricht gefördert werden können.
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