blikk

schulverbund pustertal

forum galerie sitemap
punkt infothek
blikk ses svpt

Veröffentlichungen, Abhandlungen

an den anfang zurueck weiter ans ende eine ebene nach oben
 

Schulautonomie, Netzwerke, Schulverbünde

 
Einige Überlegungen von Prof. Dr. Rainer Brockmeyer
     
Drei zentrale Aufgaben kommen auf alle Schulen zu, überall in Europa:
     

Selbstgestaltung und Selbstverantwortung

  • das „Sicheinüben“ in die Autonomie der Einzelschule, d.h. in Selbstgestaltung und Selbstverantwortung für die pädagogische Leistungsqualität,
     

veränderte Lernkultur

  • die Umstellung auf eine veränderte Lernkultur, damit Schulbildung in ihren Inhalten und Methoden immer besser den Entwicklungsmöglichkeiten des einzelnen Menschen und den Anforderungen einer sich verändernden Gesellschaft gerecht wird,
     

Professionalität

  • die Erweiterung der Professionalität der Leitenden und Lehrenden.
         

Wenn diese Aufgaben gelöst werden, wird die Schule ihre zentrale Stellung als Ort gemeinsamen und zugleich individuellen Lernens gefestigt haben. Zugleich wird durch eine neue Lernkultur die Grundlage für lebenslanges Lernen geschaffen werden können.

Aber der Weg dahin ist lang, verläuft nicht geradlinig – Pädagogik ist ein unkalkulierbares „Geschäft“. Der lange Weg verlangt Ausdauer, Beständigkeit, Flexibilität und Orientierungssicherheit von allen Beteiligten. Das sind Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie Eltern, Schülerinnen und Schüler und das gesellschaftliche Umfeld.

Die Schulen kennen in der Regel die Ausgangssituation, sind sich der Wichtigkeit der Entwicklungsziele ebenso bewusst wie der Tatsache, dass die Entwicklung selbst schwierig ist und an alle Beteiligten hohe Anforderungen stellt. Schulen wissen in der Regel aber auch aus der Erfahrung innovativer Schulen, dass ihre Anstrengungen zu einer Verbesserung der Lernsituation und zu einer befriedigenderen pädagogischen Arbeit führen. Dieses Wissen gilt in hohem Maße auch für die Schulen in Südtirol, die in der Regel durch ihre zahlreichen Kontakte, durch Informationsveranstaltungen und Lehrerfortbildungen gut informiert sind über das, was auch sie in ihrer Alltagspraxis verwirklichen müssen.

Angesichts der anspruchsvollen Aufgaben und der Herausforderungen, die in der Gesamtentwicklung stecken, ist es folgerichtig, dass die Schulen zwar zunächst auf die eigenen Kräfte vertrauen und diese aktivieren, in immer stärkerem Maße aber den Arbeitsverbund mit anderen suchen. Netzwerke und Schulverbünde sind gewissermaßen zu einem der wichtigsten Entwicklungsinstrumente im Schulwesen geworden.

Die Anlässe für die Bildung von Netzwerken und Schulverbünden kommen in der Regel aus der realen Entwicklungssituation selbst. Man stößt auf Fragen und Entwicklungsprobleme, denen gegenüber man allein – mit den Kräften des eigenen Kollegiums – oder auch mit Unterstützung durch einzelne Experten, unsicher bleibt. Beispielhaft seien hier einige dieser Anlässe zur „Vernetzung“ genannt.

         
  • Schulen finden sich zusammen, weil sie z. B. in den verschiedenen Fächern und Fachbereichen neue Inhalte und Methoden einführen wollen und die Entwicklungsarbeiten dazu oder auch die Erfolgskontrolle gemeinsam mit anderen Schulen für erfolgreicher halten als einen „Alleingang“,
  • Schulen finden sich zusammen, weil sie eine systematische Lehrerfortbildung aufbauen wollen, um möglichst viele Lehrer einzubeziehen und gemeinsam mehr Mittel einzusetzen, als sie allein aufbringen könnten,
  • Schulen finden sich zusammen, weil sie in neue Zusammenhänge hinein wachsen müssen – z.B. bei der organisatorischen Zusammenlegung von Grund- und Mittelschulen - , weil sie ihre didaktischen Konzeptionen aufeinander abstimmen müssen, um zu einer gemeinsam getragenen Schulkonzeption zu kommen,
  • Schulen finden sich zusammen, weil Vorhaben anstehen, die man gemeinsam, d.h. in der Bündelung der Kapazitäten, besser „erledigen“ kann als allein, z.B. die Einführung neuer Technologien und ihre Einbeziehung in die Arbeit der einzelnen Fächer.
       

Die Liste der Anlässe ließe sich über viele Seiten fortschreiben. Sie würde zeigen, dass eine offene, auf Arbeitsteilung, gemeinsame Meinungsbildung und Rechenschaftslegung ausgelegte Kooperation die einzelne Schule stützt, von der Last der isolierten Verantwortung befreit und insgesamt ein Arbeitsklima schafft, das einen über den „eigenen Tellerrand“ hinausblicken lässt.


Schulen erfahren und wissen, wenn sie einige Zeit miteinander gearbeitet haben, was diese Kooperation für sie bedeutet, was sie gewissermaßen „davon haben“. Sie wissen auch, dass Voraussetzung für eine als ertragreich empfundene Kooperation Offenheit und Kollegialität sind, dass die institutionellen und manchmal auch persönlichen Vorbehalte, mit denen Schulen sich of begegnen, Gift sind für den Erfolg von Netzwerken und Schulverbünden. Wertet man die Erfahrungen aus, die Schulen in der Netzwerkarbeit gemacht haben, nimmt man die Arbeitsresultate der Netzwerke hinzu, so ergibt sich folgendes Bild:

         
  • Schulen erfahren, dass die Probleme „leichter“ zu lösen sind, wenn man systematisch Erfahrungen austauscht, arbeitsteilig vorgeht und viele gute „Köpfe“ zusammenführt;
  • Schulen erfahren, dass sich daraus Solidarität entwickelt zwischen Personen und Institutionen, dass aus diesem Geist heraus die pädagogische Arbeit offener wird und besser gelingt, dass die Isolation, in der Schulen oft ihre Arbeit tun, sich verliert;
  • Schulen erfahren, dass man Probleme gemeinsam klarer sieht, nicht vor ihnen zurückschreckt, sondern sie als Herausforderung für das eigene Handeln versteht;
  • Schulen erfahren, dass man durch Vernetzung und Schulverbundsarbeit ein Forum gewinnt für Sachklärung, für Meinungsbildung und für breit getragene Entscheidungen;
  • Schulen erfahren, dass man über eine systematische Zusammenarbeit besser ein Bewusstsein für die eigenen Stärken entwickelt und auch die eigene Sache nach außen besser vertreten kann;
  • Schulen erfahren, dass man im Arbeitsverbund mit anderen die eigene Selbständigkeit nicht aufgibt, dass diese vielmehr gestärkt wird und man z.B. bei Eltern oder im gesellschaftlichen Umfeld eher Ansprechpartner und Verbündete findet.
       
Netzwerke zwischen Schulen können auf Dauer Bestand haben, allerdings in ihren Arbeitsinhalten wechseln; sie können Phasen intensiver Kooperation ebenso kennen wie Phasen eines eher distanzierten Miteinanders. Das ist so, wie es unter Menschen auch ist.
Arbeitsnetzwerke, d.h. Netzwerke, in denen sich die Schulen zur „Erledigung“ bestimmter Vorhaben zusammen tun, sind in der Regel auf Zeit angelegt, bestehen so lange, wie das Vorhaben läuft, können natürlich in eine weitere Phase der Kooperation überführt werden, können aber auch aufgelöst werden. Schulen können auch unterschiedlichen Netzwerken angehören, nacheinander oder auch gleichzeitig. Netzwerkstrukturen sind „freie“ Entwicklungsverbünde, die einer klaren „Geschäftsgrundlage“, oft in Form eines Vertrages, bedürfen, die gut organisiert und koordiniert werden müssen, die aber durchaus „freie Zusammenschlüsse selbständiger Schulen“ sind und bleiben.

Schulverbünde sind in der Regel auf Dauer angelegt: Sie können aber in einzelnen Phasen durchaus unterschiedliche Kooperationsintensität entwickeln. Es muss gemeinsam vorangehen, aber nicht immer mit erhöhtem Tempo. Auch in Netzwerken und Schulverbünden gilt, dass Schulen ihre eigene Entwicklungszeit brauchen. Sie können sich aber der Gesamtentwicklung nie entziehen. Sie würden sonst aus dem Netzwerk oder dem Schulverbund herausfallen.

Aus Netzwerken und aus Schulverbünden können sich, wenn sie genügend Entwicklungszeit haben und von einem solidarischen Einverständnis getragen sind, „Schullandschaften“ oder gar „Bildungslandschaften“ entwickeln. Aus Kooperationen heraus, die zunächst nur der einen oder anderen Sache dienen, entsteht so ein „Ganzes“. Das Schulwesen eines Bezirks oder einer Region erscheint dann als ein zusammenhängendes und zusammengehöriges „System pädagogischer Arbeit“ mit eigener Ausprägung so, dass der Bürger in „seiner Schullandschaft“ auch die Eigenart der eigenen Lebens- und Entwicklungssituation wiederfindet.

Sich in Netzwerke und Schulverbünde hineinzubegeben erfordert Offenheit, Selbstbewusstsein und Souveränität. Längst nicht alle Schulen sind bereit, sich in solche Kooperationszusammenhänge einzubinden, fühlen oft das Bedürfnis dafür nicht, verweigern sich manchmal aus einem uneingestandenen Hang zur „Selbstisolation“, fürchten oft wohl auch die mit dem Kooperationsengagement zunächst verbundene Arbeitsbelastung. Die Erfahrungen zeigen aber, dass der Ertrag größer ist als die Investition.

Netzwerke können auch scheitern, sowohl in ihren Arbeitsverfahren wie in ihren Arbeitserträgen. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn die Vertrauensgrundlage zerbricht, die Solidarität der Pädagogen nicht stark genug ist oder aber wenn man sich in der Zielsetzung zu viel vorgenommen hat. Deshalb gilt eine weitere Erfahrung: Klare Zielsetzungen, überprüfbare Wege zu ihrer Verwirklichung, ruhige und gelassene Rechenschaftslegung über Erfolg und Misserfolg und eine konstruktive Auseinandersetzung damit können helfen, das Scheitern oder auch die innere Aushöhlung zu vermeiden.

Im Pustertal können Vernetzung und Schulverbundsarbeit nach meiner Einschätzung erfolgreich verlaufen. Die Findungsphase, die abgeschlossen ist und nun in die „Projektphase“ überführt wird, gibt alle Hoffnung dazu. Erreicht werden könnte eine „Schullandschaft“, die aufgreift, was an allgemeiner pädagogischer Entwicklung von Schulen überall in Europa gefordert wird, die aber zugleich zeigt, wie das Schulwesen eines Bezirkes sein ganz eigenes Gesicht gewinnen und bewahren kann.
       
an den seitenanfang