In den wichtigsten Tälern, durch die seit eh und je die Hauptverkehrswege liefen, entwickelten sich historisch gesehen die größten Stadtzentren der Region mit grundlegenden Verwaltungsfunktionen, während in den Seitentälern die Siedlungen entscheidend anders und stark von den Umweltbedingungen, den wirtschaftlichen Tätigkeiten, dem Ursprung bzw. den Bräuchen der Talbewohner geprägt sind.
Untersucht man das natürliche Umfeld der historischen Siedlungen, entdeckt man, dass für jede Siedlung die unentbehrlichen Hauptbedingungen vorhanden sind:
- ein stabiler Untergrund für die Errichtung von Gebäuden,
- genügend Sicherheit vor Naturphänomenen,
- fruchtbarer Grund mit Bewässerungsmöglichkeit,
- einfache Kommunikationswege.
Die grundlegenden Siedlungstypen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in unserem Gebiet durch die Überschneidung diverser Kulturen und verschiedener politisch-administrativer Systeme entwickelten, waren das Haufendorf, das Straßendorf und die Streusiedlung.
Die Haufensiedlungen rätischer und später auch römischer Herkunft sind die ältesten und führen auf die ersten Dörfer auf Geröllkegeln und mit Pfahlbauten zurück. Manchmal entstanden sie dort, wo ein antikes befestigtes Dorf lag oder am Fuße einer mittelalterlichen Burg, in den wichtigsten Tälern oder in Seitentälern. Ihre Lage und die daraus folgende Struktur sind durch das natürliche Umfeld und landschaftliche Eigenheiten bedingt.
Die Straßendörfer, die entlang der Verkehrswege entstanden, erstrecken sich entlang von Terrassen oder direkt im Tal, wie im Etschtal und in den Tälern des Noce und Avisio und in den Judikarischen Alpen.
Die Streusiedlungen sind mehr in Mittelgebirgshöhe an Berghängen oder auf Hochplateaus vorhanden und zeugen von den Kolonisationen germanischer Stämme im Mittelalter, die mit Wald- und Weidetätigkeiten verbunden waren. Aus dem ursprünglichen System der Streusiedlung entwickelte sich oft ein Ortsteil mit gemeinschaftlichen Funktionen (Kirche, Gemeindeamt,…) heraus, umgeben von verstreuten Höfen und kleineren Siedlungen.
Mit der stärkeren Kolonisation der Berghänge nach der Ausbreitung der Siedlungen auf Gröllkegeln in den Seitentälern wurden Wälder in immer größeren Höhenlagen gerodet. Neben der Ausbreitung der Sommerweideflächen nach unten und der rund um die Wohnzentren angebauten Flächen nach oben wurden auch die mittleren Lagen – wo meist der Wald als Schutz vor Lawinen und Erdrutschen und als „ökologische Brücke" zwischen den verschiedenen Zonen diente – teilweise besiedelt, vor allem auf den natürlichen Terrassen und in den weniger steilen Gebieten, aber auch mithilfe der Errichtung von künstlichen Terrassen aus stabilen Trockenmauern.
Dies ist der Fall der „Viles“ im Gadertal, Kleinsiedlungen mit einem Zentrum, die seit der Mitte des 11. Jahrhunderts dokumentiert sind und sich vom Modell der Streusiedlung im deutschsprachigen Südtirol unterschieden und zu einer stabilen Kolonisation bis zu Höhen von 1.200-1.700 m ü.d.M. führte. Außerhalb der Ortsteile lagen die in Parzellen gegliederten Landwirtschaftsgründe, Weiden und Wälder, die alle in Gemeinschaftsbesitz standen.
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