von Friedrich Glasl, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1994 (4)
Das Buch bietet dem theoretisch orientierten Leser eine umfassende Orientierung über den Stand aller Wissenschaften (z.B. Ökonomie, Psychologie, Soziologie, Recht und Spieltheorie), die sich mit sozialen Konflikten in der Gesellschaft der Erwachsenen auseinandersetzen; und es bezieht immer auch eine eigene Position. Wegen dieser grundsätzlichen Beschäftigung mit dem Phänomen „sozialer Konflikt" ist das Buch für diesen Arbeitsbereich "Gewalt" ein Standardwerk. In den Dokumenten zur Theorie der Konfliktbehandlung werden viele Ideen aufgegriffen.
Inhaltsverzeichnis der Hauptkapitel
1. Einführung: Sozialer Konflikt und Konfliktlösung im Sozialen
Teil I: Konfliktdiagnose
2. Menschenbild und soziale Konflikte
3. Typologie von Konflikten
4. Modelle der Konfliktdiagnose
5. Inhaltliche Dimensionen der Konfliktdiagnose
6. Konfliktkonstelationen im meso-sozialen Rahmen
Teil II: Die Dynamik der Eskalation
7. Einführung zur Eskalationsproblematik
8. Basismechanismen der Eskalationsdynamik
9. Wendepunkte der Eskalation
10. Phasenmodell de Eskalation
Teil III: Strategie der Konfliktbehandlung
11. Interventionen der Konfliktbehandlung
12. Die fünf Diagnosedimensionen als Ansatzpunkte für Interventionen
13. Allgemeinen Prinzipien für Interventionen für Konfliktbehandlung
14. Strategiemodelle der Konfliktbehandlung
15. Strategie- und Rollenmodelle näher behandelt
16. Phasen der Konfliktbehandlungsstrategien
Das von Glasl vertretene Menschenbild
Glasl gründet seine Arbeit als Konfliktforscher auf „ein ganzheitliches Menschenbild, dass den Menschen als dreifältiges Wesen versteht: Leib-Seele-Geist. Der Mensch ist mit seiner Leiblichkeit Teil der physischen Welt und der Naturkräfte; mit seiner Seele lebt er im psychischen und sozialen Element und hat Beziehungen zu anderen beseelten Wesen, wird von diesen beeinflusst und nimmt selber auf sie Einfluss; und als geistiges Wesen kann der Mensch Erfahrungen mit geistigen Wirklichkeiten haben."...
„Im Grunde ist dies auch der eigentliche Kern des christlichen Menschenbildes, dass allen konfessionellen Ausprägungen eigen ist. Denn die Gottes-Ebenbildlichkeit des Menschen in der christlichen Theologie besagt genauer: Das Wesen des Menschen ist nach dem Wesen Gottes gestaltet." ...
Glasl weiter: „Als geistiges Wesen strebt der Mensch nach Entfaltung und Entwicklung und nimmt am geistig-kulturellen Leben der Gesellschaft teil. ... Als körperliches Wesen ist der Mensch im Wirtschaftsleben zur Deckung seiner Bedürfnisse auf die Leistungen anderen angewiesen. Wo er nicht auf diese elementare Solidarität seiner Mitmenschen bauen kann, ist seine materielle Existenz in Gefahr. Darum ist dieses Prinzip der Solidarität - der Brüderlichkeit - die eigentliche Grundvoraussetzung im Wirtschaftsleben: Die Produktion oder Dienstleistung muss sich also auf die Bedürfnisse anderer richten und nicht auf Eigengewinn." ...
„Auch der geistige Kern unserer Persönlichkeit ist dreigliedrig. Wir tragen ein Bild des „besseren Menschen" in uns, dass ganz und gar individuell und unserer eigenes Bild ist. Dies sind u.a. die bewussten Seiten unserer „Licht-Persönlichkeit", ein Bild unseres „höheren Ichs", unserer „Licht-Seite" bzw. unseres „Engelwesens", das uns innerlich leitet. Dem steht ein anders Bild in uns gegenüber, das die Gestalt unserer negativen Eigenschaften, unserer Schwachheiten und unmoralischen Strebungen und Triebe hat. Auch diese sind zusammen ein Ganzes, eine Quasiperson, nämlich unsere „Schattenpersönlichkeit", unser „Doppelgänger". Zwischen beiden steht das „tägliche Ich", das einerseits bemüht ist, sich dem höheren Ich zu nähern, seine Werte zu leben und im täglichen Handeln mehr und mehr zu praktizieren, und das andererseits die Schattenseiten erkennen und verändern will: umbilden, entwickeln und erlösen will."
Die letzten ausführlichen Zitate sollen zeigen, dass Glasl auf einer christlich-idealistischen Grundlage (etwa zur Ökonomie und zur Ethik) argumentiert. Erkenntnistheoretische Überlegungen, die auf dem Konstruktivismus basieren, finden noch keinen Eingang in seine Überlegungen. Erst diese würden aber díe vielen unterschiedlichen "Konstruktionen von Gewalt-Wirklichkeit" und das enorm zunehmende und auch globale Konfliktpotential auf dem Planeten Erde erkennbar und deutlich machen können.
Das Buch ist für Anfänger nicht einfach zu lesen. Es umfasst 423 Seiten und enthält ein Literaturnachweis auf 12 Seiten. Das Buch sollte dann in einer Lehrerbibliothek nicht fehlen, wenn Lehrerinnen und Lehrer der Schule an theoretischen Vertiefungen und wissenschaftlichen Vergleichen im Bereich der Forschung sozialer Konflikte interessiert sind.
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