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Blinde
sehen, Taube hören, Lahme gehen
Neurotechnische
Implantate und Gehirndesign
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An der Schittstelle von Biologie und KI-Technologie werden Neuro-Implantate entwickelt, mit denen verloren gegangene Sinne ersetzt werden können.
Viele Anwendungen sind heute bereits Realität oder stehen kurz davor. Schon in den nächsten Jahrzehnten können Patienten mit amputierten Gliedern
oder Nervenverletzungen
ihren Tastsinn oder Sehsinn zurückerhalten.
Wissenschaftler sprechen schon heute von einem Gehirndesign und haben Visionen von Cyber-Lebewesen (bdw 1/2000).
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Cochlea-Implantat:
eine Hörprothese |
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Das
Cochlea Implantat ist eine Hörprothese für Menschen, deren
Taubheit durch Ausfälle im Schneckengang im Innenohr bedingt
ist. Ein Cochlea
Implantat funktioniert wie folgt: Ein Mikrofon außerhalb des
Körpers nimmt Töne und Geräusche aus der Umgebung auf.
Der Output des Mikrofons wird anschließend verstärkt und
elektronisch in verschiedene Frequenzbänder zerlegt. Die Signale
in jedem Frequenzbereich werden in elektrische Impulse umgewandelt.
Kleine Drähte, die im nicht mehr funktionsfähigen Innenohr
implantiert wurden, geben diese Stromimpulse an den Hör-Nerv
weiter. |
Schneckengang
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Nach dem Einsatz eines "künstlichen Innenohrs" stimmt
im Gehirn weder die räumliche noch die zeitliche Ordnung der
Impulse mit der zuvor bestehenden Ordnung vollständig überein.
So erklärt sich das Erleben der Patienten nach der Operation:
Gehört wird ein rauschendes und knackendes Chaos. Im Gehirn
finden dann aber im Laufe der Zeit massive Umbauvorgänge statt.
Das Gehirn lernt in einigen Monaten die neuen Signale zu entziffern
und ihnen die richtigen internen Codes zuzuordnen. Das einzige, was
das Gehirn hierfür aber benutzen kann, sind die im Input nach
wie vor vorhandenen raum-zeitlichen Regelmäßigkeiten, auch
wenn sie gänzlich anders sind als zuvor. Der Kortex (die Großhirnrinde)
extrahiert diese Regelmäßigkeiten und legt eine Karte der
Inputmuster nach Ähnlichkeit und Häufigkeit an. So bildet
sich eine neue Tonkarte im primären auditiven Kortex. Anfangs
hören die Patienten also nur Rauschen und Knacken. Nach Ablauf
einiger Monate aber, wenn sich das Gehirn an das neue Hören angepasst
hat und das Implantat optimal eingestellt ist, können sie auf
einmal Worte verstehen. |
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Gehstimulator:
ein Muskel- und Kreislauftrainer |
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Gehstimulator |
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Eine
Folge der Querschnittslähmung ist in der Regel die Unfähigkeit,
Gehen zu können. Ein Gehstimulator dient in solchen Fällen
dem Kreislauftraining, um zu Hause ein paar Schritte gehen zu können, die
Muskeln in Form zu halten,
die Duchblutung zu verbessern und Gelenkversteifungen
zu vermeiden. Er funktioniert,
indem Elektroden auf Beinen und Gesäß nach einem festen
Programm "Aufstehen, Gehen und Hinsetzen" per Knopfdruck
steuern. Treppensteigen ist damit noch nicht möglich. Das Gerät
ist außerdem nur für Patienten geeignet, die Arme und Oberkörper
bewegen und sich bei Bedarf abstützen können. Die Elektroden
sind oft nur mit fremder Hillfe anzubringen, die Muskeln ermüden
schnell. Immer häufiger
ist bei Unfällen (z.B. bei Autounfällen) eine Querschnittslähmung
die Folge. Und das kann bedeuten, dass die oder der Querschnittsgelähmte
nicht mehr von alleine atmen kann oder der Harnfluss ungeregelt abläuft. Wenn z.B.
bei Querschnittsgelähmten das Rückenmark bereits auf Nacken
oder Brusthöhe durchtrennt ist, stimuliert ein Zwergfellschrittmacher
mit Hilfe von Elektroden die Zwerchfellnerven, damit der Mensch wieder
von mechanischen Atemgeräten unabhängig werden kann. Im Harntraktstimulator
sorgen Elektroden dafür, dass die oder der Gelähmte auf
Knopfdruck die Blase entleeren können und so der Harnfluss wieder
geregelt ablaufen kann. |
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Künstliche
Netzhaut: eine Sehprothese |
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Netzhaut - Stäbchen |
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Eine
künstliche Netzhaut für Blinde ist zwar erst in Entwicklung.
Aber in einigen Jahren, schätzen die meisten WissenschaftlerInnen,
wird es sie geben. Die für
eine künstliche Netzhaut für Blinde notwendige Elektronik
muss viel feiner sein, als bei den Implantaten für Gehörlose
oder Querschnittsgelähmte. Um Lichtimpulse aufnehmen und als sinnvolle
Signale ins Gehirn weiterleiten zu können, müssen einzelne
Nervenzellen oder zumindest kleine Gruppen von Neuronen gezielt aktiviert
werden können. Ein
Netzhaut-Implantat ist aber grundsätzlich machbar. Tierversuche
haben bereits gezeigt, dass im Gehirn von Katzen, denen eine künstliche
Netzhaut implantiert worden ist, Lichtsignale angekommen sind. |
Sandwich aus Bio-Chip
und Netzhaut |
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Mit der jetzt
zur Verfügung stehenden Technik werden Menschen zwar höchstens
schemenhafte Umrisse erkennen können. Für manche blinde Menschen
bedeutet diese Aussicht aber schon viel (www-aix.gsi.de/~schuell/drpv.html).
Für die
weitere Entwicklung eines Netzhautimplantats ist die Grundlagenforschung
u.a. am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried (bei München)
zentral. Hier beschäftigt man sich mit der Kommunikation zwischen
toter Elektronik und lebender Zelle. So lässt man Nervenzellen
auf Siliziumchips wachsen und untersucht, was an der Grenzfläche
zwischen Siliziumchip und Zelle vor sich geht. Mittlerweile können
die Chips die Nervenzellen reizen und umgekehrt können die Chips
auch die Aktivität der Zellen lesen. |
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Rückgekoppelte
Neuroprothesen |
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Verbindung:
Biologie und Technik |
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Rückgekoppelte
Neuroprothesen sind künstliche intelligente Systeme, die eine tatsächliche
Bewegung mit einer gewünschten vergleichen und sich dabei selbst
regulieren. U.a. wird in Tübigen am Lehrstuhl für Technische
Informatik versucht, gelähmten Patienten das Greifen zu ermöglichen,
indem sie Nerven im Unterarm mit implantierten Elektroden reizen. Ein
neuronales Netz berechnet aus dem Wunsch des Patienten die notwendige
Nervenstimulation. Der Wunsch, die Hand zu öffnen oder zu schließen,
wird aus der Schulterbewegung erschlossen und die Position der Hand
wird dem neuronalen Netz über einen Datenhandschuh vermittelt. Der Computer
lernt aus den ersten Greifversuchen und stellt sich auf den Patienten
ein. Nicht der Patient muss lernen, mit seiner Neuroprothese umzugehen,
sondern umgekehrt muss das neuronale Netz lernen.
Die Rückkopplung
erfolgt über Sensoren am Datenhandschuh, die z.B. den Druck (des
Greifens) messen und an den Patienten - über Vibration an sensiblen
Hautpartien - zurück leiten. Diffizile Bewegungen - etwa Klavierspielen
- sind zwar so noch nicht möglich aber je mehr Elektroden implantiert
werden und je genauer sie angesteuert werden, um so feiner wird die
Beweglichkeit durch die Neuroprothese. Daran wird gearbeitet. |
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Elektronische "Nasen" und "Zungen:
Prothesen zum Riechen und Schmecken |
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An
der technischen Entwicklung von Riech-Prothesen wird heute bereits in
der KI-Forschung gearbeitet. Menschen bzw. künstliche Nasen sollen
Chemikalien wittern können, die sie heute noch gar nicht riechen
können oder gar nicht riechen wollen.
In eben dieser
Weise wird auch an Schmeck-Prothesen gearbeitet.
"Nasen"
und "Zungen" der biologischen Evolution werden künstlich
erweitert. Sie werden gewissermaßen aus dem Menschenverstand geboren.
So können mit Hilfe des in der Evolution gewordenen Gehirns, die
Grenzen der menschlichen Wahrnehmung in einigen Jahren erweitert werden. Siehe auch die Forschungsergebnisse zum "Sehen" von Blinden als Einstieg in die Thematik.
<<< Ein Mikrochip wird mit
Nerven verbunden
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Anfänge
eines Gehirndesigns |
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Ein Mikrochip wird
mit Nerven verbunden
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Auch
in Deutschland laufen seit einiger Zeit Projekte, die eine Verbindung
von Neurologie, Biochemie, Mikroelektronik und Computertechnik realisieren
wollen. Eines davon findet sich in der Abteilung Membran- und Neurophysik
am Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in Martinsrid bei München.
Laut Martin Jenker, Mitarbeiter in der Abteilung, wollen die Wissenschaftler
dort verstehen, wie neuronale Netze arbeiten: "Wir nehmen keine großen
Strukturen auseinander, um sie zu analysieren, sondern bauen winzige
'Hirne' unter genau definierten Bedingungen." Um das zu erreichen werden
künstliche neuronale Netze auf Halbleiterchips kultiviert: Auf die ebene
Chipoberfläche bringen die Münchner Forscher einzelne Nervenzellen von
Ratten, Schnecken oder Blutegeln auf, die sich wieder zu einem Gewebe
zusammenschließen. Um strukturiertes Wachstum auf der künstlichen Oberfläche
zu erreichen, werden mit Hilfe von photolithographischen Methoden definierte
Bahnen vorgegeben, auf denen die Zellkörper anfangen, ihre Fortsätze
auszubilden. Als direkte Schnittstelle zwischen Nervenzellen und Computertechnologie
dienen sogenannte Feldeffekttransistoren (FET). Mit diesen elementaren
Bauteilen, die direkt unter der Chipoberfläche eingebaut sind, können
die Forscher ohne Schädigung der Zellen deren Aktivität messen. Bei
den Schnecken- und Blutegelzellen ist es mit Hilfe der Chips inzwischen
sogar schon gelungen, künstlich Aktivität auszulösen. |
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Neuronale
Netze
werden zu Steuerungselementen für Lebensfunktionen |
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Im Institut für
"Künstliche Intelligenz" in San Diego laufen zum Beispiel
bereits Hummer durch das Labor, bei denen natürlich gewachsene
Nervenzellen entfernt und durch Neuronale Netze ersetzt wurden. Die
Hummer besitzen einige leicht zugängliche Nervenknoten, deren
Funktion gut bekannt ist. In den ersten Versuchen wurden aus einer
Nervengruppe von 14 Zellen, die den Tansport der Nahrung vom Magen
in den Darm steuert, einige Zellen entfernt und durch kleine Neuronale
Netze ersetzt. Die Hummer zeigten sich davon wenig beindruckt und
lebten weiter, wie ihre Artgenossen. (bdW 1/2000) |
Gehirn-Implantate |
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Mit weiter entwickelten Neuronalen Netzen (z.B. Hirnschrittmachern) soll
es in einigen Jahren möglich werden, lokale Hirnschäden
(etwa nach einem Schlaganfall) zu beheben. Auch Krankheiten wie Chorea,
Huntington, Alzheimer und Epilepsie sollen ihre Schrecken verlieren.
Zur Zeit gibt es in der Forschung Experimente und erste Erfolge bei
der
- Verjüngung
altgedienter Hirnzellen,
- Transplantation
neuer Hirnzellen,
- Verknüpfung
von Nervenzellen mit "Chips" genauer: mit neuronalen Netzen
(siehe oben!),
- Steuerung von
Maschinen durch Gedanken mit Hilfe eingepflanzter Elektroden oder
durch Ableitung von Hirnströmen,
- Verwendung
des Elektroenzephalogramms (EEG) (etwa als Lügendetektor) und
- Manipulation
von Gedanken und Gefühlen durch biochemische oder elektromagnetische
Eingriffe.
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Letzte Änderung: 17.03.2008
© Pädagogisches Institut für die deutsche Sprachgruppe
- Bozen. 2000 -
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