Josef und Biagio waren zwei kräftige Burschen, die bereits seit   ca. 10 Jahren als Tagelöhner auf dem Bauernhof des Grafen von Hauserle arbeiteten. Biagio stammte aus Grumeis im Cembratal und musste 1860 als Sohn aus   armen Verhältnissen ausziehen, um seinen Unterhalt zu verdienen. Der bäuerliche   Landbetrieb erstreckte sich über ca. 50 Hektar Land, zum Großteil Wald, Wiesen   und Ackerland. Auf hauptsächlich sumpfigem Land in der Talebene von Salurn mit   einer Fläche von ca. 10 Hektar wurden Mais, Rüben, Kartoffeln, Weizen,   Weinstöcke und Obstbäume angebaut, deren Pflanzfolge sich eher zufällig   abwechselte. Die Ernte diente zur Versorgung der zahlreichen Familienmitglieder   des Grafen und nur ein kleiner Teil ging als Bezahlung für die geleistete Arbeit   an die Bediensteten. 
											   
											  Der Graf war mit der Arbeit seiner Tagelöhner zufrieden, die die Arbeiten   im Stall und auf den Feldern gut erledigten. Auch wenn die Arbeit auf den   Feldern, im Stall, der Scheune und im Wald und auf den Wiesen gut funktionierte,   hatte er doch im Weinkeller stets etwas zu beanstanden. Einmal war der Wein   essigstichig, im nächsten Jahr ohne Geschmack und dann wiederum roch er nach   faulen Eiern. Der Graf liebte gutes Essen und trank auch gerne einen guten Wein   dazu, weshalb ihn die Situation ärgerte. Trotz all ihrer Bemühungen drohte er   den beiden Burschen mehr als einmal mit Entlassung. Der Ehefrau des Grafen, die   im Laufe der Jahre die Situation ganz aus der Nähe miterlebt hatte, war bewusst,   dass die jungen Männer einfach nicht in der Lage waren, einen guten Wein   herzustellen, weil ihnen das Fachwissen über die Techniken zum Keltern fehlte.   Schon mehrfach hatte sie diese Gedanken gegenüber ihrem Ehemann vorgebracht,   jedoch vergebens. Schließlich traf der Graf nach dem x-ten Glas Wein, der   oxidiert war, eine Entscheidung: Wenigstens zwei seiner Bediensteten sollten   lernen, wie man Wein herstellt. Das Problem war, wie und wo. 
											    
                                                Landwirtschaftliche Lehranstalt San Michele 
                                               
                                                Zu dieser Zeit (1868) gab es noch keine Landwirtschaftsschulen in Tirol.   Da kam ihm eine Idee. Sein Vetter, Graf Bruno Federico Albrigi aus Rovereto, war   Mitglied des Landtags zu Innsbruck, welcher für das Welschtirol zuständig war.   Dieser hatte ihm vor zwei Wochen bei der Sonntagsmesse in der Kirche von San Michele all´Adige erzählt, dass im Landtag der Vorschlag gemacht   worden war, auch in Tirol eine landwirtschaftliche Lehranstalt nach dem Vorbild   von Klosterneuburg und Montpellier zu gründen. Alle Abgeordneten waren sich zwar   einig, dass für eine solche Anstalt durchaus Bedarf bestünde, sie hatten sich   jedoch nicht auf einen Sitz einigen können. Hauserle fiel plötzlich das alte Augustinerkloster ein, das nur wenige Kilometer entfernt war. Der ideale Sitz für eine   Landwirtschaftsschule. Das wollte er unbedingt Albrigi erzählen. 
                                                
                                                9-Monat-Kurs 1911 
                                               
                                                Nur wenige Jahre später entschied der Tiroler Landtag, in San Michele   eine Landwirtschaftsschule entstehen zu lassen. Der gebürtige Klosterneuburger Edmund Mach war erster Direktor. Diese Aufgabe nahm er vorbildlich wahr, so dass   die Landwirtschaftliche Landeslehranstalt und Versuchsstation San Michele nicht   nur in Tirol einen hervorragenden Ruf erwarb. Zu den ersten Auszubildenden   zählte auch Biagio, der junge Mann aus Salurn, der zwar nicht sehr gebildet war,   jedoch äußerst motiviert. So passte er während des Unterrichts und bei den   Techniken zum Weinanbau und zur Weinkelterung besonders auf. 
                                                
                                               
                                               
                                                Der Graf war inzwischen bereits alt und starb bald darauf. Aber auch er   erfreute sich noch an dieser Errungenschaft, denn in den letzten Jahren waren   seine Weine, sowohl der Weißvernatsch als auch der Rossara und der Tiroldico (so   hieß der herrliche Rotwein, der auch der Gräfin besonders gut schmeckte) viel   besser geworden. Und auch Biagio hatte sich verändert, er war ein wahrer   Keltermeister geworden! 
     
                                                Weitere Landwirtschaftsschulen in   Tirol 
   
                                              Während die 1874 in San Michele all’Adige gegründete   Landwirtschaftsschule die älteste in Tirol ist, beschloss der Landtag zu   Innsbruck 1879 die Gründung einer weiteren Landwirtschaftsschule in Rotholz (Landwirtschaftliche Landeslehranstalt Ratholz). Mit diesem Beschluss wollte man den   Anforderungen des deutschsprachigen Umfelds in Tirol entgegen kommen, wo Bedarf   nach einer Lehranstalt bestand, die im Gegensatz zu den „mediterraneren“ Themen   wie Weinreben und Obstanbau in San Michele den Schwerpunkt auf Berglandwirtschaft mit Viehzucht und Waldwirtschaft legt.  
                                              Auch in anderen   Ortschaften sind in Folge und vermehrt nach dem 2. Weltkrieg weitere   Landwirtschafts- und Haushaltungsschulen entstanden. Diese Schulen des   historischen Tirols sind heute als „Ring der landwirtschaftlichen Schulen   Tirols” zusammengeschlossen.  
                                                 
                                                 
                                               
                                                
                                                Weinkeller   (Foto: W. Eccli)
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