Sahim kann ja verstehen, dass etwas   Neues immer für Aufmerksamkeit sorgt, aber müssen seine Mitschüler ihn so   anstarren? Wahrscheinlich, sagt er sich, würde er an ihrer Stelle ja das gleiche   tun. Ein schwacher Trost in Anbetracht dessen, dass Sahim kein Wort von dem   versteht, was ihm die Lehrerin in einer Kombination aus perfekt artikulierten   Wörtern und liebevoller Gestikulation zu vermitteln versucht. Er würde nur zu   gerne wissen, über was die Banknachbarn vorher so vergnügt geplaudert haben, was   die bunte Überschrift auf dem großen grünen Plakat bedeutet und ob er sich von   nun an jeden Tag so verloren fühlen müsse, wie er es in diesem Moment tut. 
                                               
											    
                                                Konversation als   Schlüssel zur erfolgreichen Integration 
                                              Die Einsicht, dass er die neue   Sprache so schnell wie möglich lernen müsse, kam ihm eigentlich schon bei seiner Ankunft am Hauptbahnhof. Alle Schilder, Aushänge und Leuchttafeln waren in einer ihm   unbekannten Schrift beschrieben, „Wie sollen wir uns hier zurecht finden?“   fragte er seine Mutter. Ganz einfache Tätigkeiten wie Einkaufen und nach dem Weg   fragen, würden jedes Mal eine neue Herausforderung darstellen. Die Entscheidung   seiner Eltern, das krisengeschütterte Heimatland in der Hoffnung auf ein   besseres Leben zu verlassen, hat Sahim ihnen nicht übel genommen, im Gegenteil.   Doch hat er sich seine erste Berührung mit dem Fremden etwas einfacher vorgestellt.  
                                                 
                                                Das Läuten der Schulglocke   reißt ihn aus seinen Gedanken. Eilig verlassen Sahims neuen Mitschüler die   Klasse, die Pause hat soeben begonnen, er weiß aber nicht, ob er ihnen folgen,   oder doch lieber auf seinem Platz warten soll. Denn auch wenn die   Klassenkameraden ganz nett zu sein scheinen, er wird das Gefühl nicht los, dass   alle über ihn reden. „Wie soll ich mich verhalten, wenn mir jemand eine Frage   stellt? Wie fragt man nach dem Weg zur Toilette? Wie sagt man: Kann ich   mitspielen?“ Mit diesen Fragen auf dem Gewissen verlässt er die Klasse in   Richtung Schulhof,"Hoffentlich wird bald alles normal!" 
                                                 
                                                 
Literatur: 
„Interkulturelle Mediation in   Südtirol“, Ljubica und Predrag Rapo (Verein „Porte Aperte – Offene Türen“, alpha   beta Verlag Meran, 2007) 
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