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Eskalation von Gewalt
Gewalt in der Schule

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Ein Fallbeispiel:
Die Kleine Brücke des Massakers

David, 16 Jahre, der neu in eine Vorstadtschule im Norden von Paris kam, berichtet:

   
     
Der Kreis formiert sich ...

"An dem "Spiel" sind immer die gleichen Personen, etwa 20 beteiligt. Sie bilden einen Kreis, der so in der Masse der Schüler auf dem Hof aufgeht, das er nicht als solcher zu erkennen ist. Wann ein solcher Kreis gebildet wird, darüber gibt es keine Absprache.
Es wird nicht gesagt, in dieser oder jener Pause machen wir einen Kreis. Nein, so ist es nicht.
Sie kommen, schauen sich an und dann hat die Botschaft plötzlich die Runde gemacht. Es ist wie beim Buschtelefon, nur das sie nicht miteinander sprechen. "
 
     
... an einem strategisch
günstigen Ort
  "Nehmen wir an, da wäre jemand den sie nicht kennen, ... zum Beispiel ein Junge, der in das Viertel eingezogen ist, oder einer, der in einem Einfamilienhaus wohnt. Jedesmal, wenn er auf der Straße auftauchte, haben sie ihn erpresst. Verstehst du, was das für Typen sind."
Sie laufen auf dem Schulhof herum und sehen jemanden am anderen Ende des Hofes kommen.
"Er ist gezwungen den Kreis zu passieren, weil dieser an einem strategisch günstigen Ort des Pausenhofes platziert ist. Sobald er dann durch den Kreis hindurch geht, passiert es. Bumms!"
   
und sobald jemand in den
Kreis tritt ...
  "Sobald er in den Kreis hineintritt, bumms, rennen alle auf die Mitte zu und dann ist es passiert. Zu spät für ihn. Er wird zusammengeschlagen. Das ist schlimm, sehr schlimm. Manchmal geht es böse aus. Man wirft ihn zu Boden. Dann versetzt man ihm Tritte, Tritte in die Seite, Tritte gegen die Beine, auch der Kopf muss dran glauben. Alles.
Selbst wenn der betroffene Schüler sich verteidigen will, vielleicht auch einen von ihnen erwischt und ihn schlägt, dann sind da ja noch die anderen. Das darf man nicht vergessen."
   
Bumms, dann passiert es ...

"Einer ist mal ohnmächtig geworden und lag dann drei Tage lang im Koma. Und wenn es kein Koma ist, dann doch gebrochene Arme, kleine Brüche, blaue Flecken, Blutergüsse, leichtere Verletzungen also.
Andererseits ist es wiederum erstaunlich, das sie den Kreis nicht ganz zu Ende führen. Sie begnügen sich vielleicht damit, maximal 15 bis 20 Sekunden auf jemanden einzuschlagen und verschwinden dann. Der Junge ist mittendrin, aber er hat nichts kappiert. Sie versetzen ihm ein paar Schläge und bilden dann etwas weiter weg den nächsten Kreis, wenn sie so dreist sind, anderenfalls hören sie auf."

"Was ich einmal in einer Pause erlebt habe, waren 5 Kreise. Jedes Mal ein Opfer."
 

(Die Bilder und Texte zum Fallbeispiel "Kreis" sind der Fernsehsendung von ARTE am 13.11.97 zum Thema "Jugendgewalt" entnommen.
Aber sie sind auch im Jahr 2006 und folgenden noch aktuell!)


Weitere Fallbeispiele sind auf blikk zu finden:
Lern- und Arbeitsumgebung "Friedensfähigkeit"
     

  Und David nimmt auch bewertend Stellung: "Das passiert, wenn ein Schüler in den Kreis hineingerät. Dasselbe geschieht, wenn eine Schule von einer Siedlung eingeschlossen wird, die ein sozialer Brennpunkt ist. Und, wenn wirtschaftliche Gründe die Bewohner ganzer Stadtviertel aus dem normalen Leben heraus an den Rand drängen.
Als soziale Aufstiegshilfe ist die Schule katastrophal gescheitert. Ein Teufelskreis: die Verkettung von sozialem Abstieg und Gewalt. Die Jugendlichen wollen alles haben, sofort und um jeden Preis: die schönen Produkte aus der Werbung, Bilder eines anderen Lebens, die ihnen das Fernsehen vorgaukelt."
     
Ein anderer
Oberstufenschüler und eine Lehrerin ergänzen:

  "Das Gesetz des Stärkeren bedeutet, dass du jemanden, der dir auf den Wecker geht, zu verstehen gibst, dass er dich nervt. Du schlägst ihn oder machst, was immer du willst. Niemand schreibt dir vor, was du zu tun hast, um so mehr als deine Eltern keinen Einfluss auf dich haben. Wenn du 15 Jahre alt bist und in der Stadt lebst, haben deine Eltern überhaupt keinen Einfluss mehr. ... Wenn du in die Oberstufe kommst und keinerlei Beziehung zur Stadt hast. Wenn du niemanden kennst, auch nicht in der Schule, ... dann wirst du wie ein Depp behandelt. Das heißt, wie jemand der nichts entgegnet, wenn man ihn anpöbelt. Du sagst, hör auf, du bittest flehentlich, dass man dich in Ruhe lässt, aber das nutzt alles nichts. Man macht dich jeden Tag wieder an. Und das geht immer weiter. Bis man sogar Geld von dir verlangt. ... "
     

  Christine Neveu, eine französische Lehrerin, erzählt bewertend: "Dort wo es gewaltätige Auseinandersetzungen an der Schule gibt, überlagern sie sich mit sozialen Ungleichheiten, was ja nicht verwunderlich ist. Schwierige Vorstadtbezirke sind nicht nur die endlos hohen Wohntürme, die jeder menschlichen Proportion zuwiderlaufen. Sozial benachteiligte Viertel gibt es auch in der Stadt, und die Parameter sind oftmals die gleichen: eine Arbeitslosenquote von über 50 %, eine überdurchschnittliche Anzahl an allein erziehenden Eltern. Menschen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt worden sind."
   
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Selbsteinschätzung von SchülerInnen
bezüglich ihrer Haltungen/Einstellungen zur Gewalt
Selbsteinschätzung von Jugendlichen auf die Frage:
"Wie würdest Du Deine Haltung selbst beschreiben?"


Quelle: Gunter A. Pilz "Gewalt und Gewaltprävention in der und durch die Schule;
NLI Niedersachsen, 2000
 
Haltung
Abstammung
(Zahlen in Prozentangaben)
Deutsche
Aussiedler
Türken/Kurden
richtig gewehrt
62,6
69,4
90,2
nachgiebig
16,4
10,5
2,4
cool
16,9
23,7
46,3
knallhart
6,1
7,9
19,5
schnell erregbar
19,9
36,8
26,8
     

Tatort Schule:
Jugendgewalt nach ihrer ethnischen Herkunft

Quelle: DIE ZEIT v. 12.10.2006

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Ergebnis einer Schülerbefragung im Jahr 2005

Zur Interpretation der Zahlen ein Beispiel: 21,7% der befragten deutschen Schüler schlagen ...

 
Angaben in Prozent
schla- gen
hän- seln
massiv hänseln
Eigen- tum zer- stören
mit
Waffen
bedrohen
erpres- sen
deutsch
21,7
55,2
11,5
6,5
1,3
1,1
türkisch
28,9
46,5
10,8
9,6
4,5
4,2
russisch
25,2
48,1
13,1
7,9
3,1
2,3
jugos- lawisch
24,2
56,3
15,5
11,5
3,8
3,8
ost- europäisch
27,6
62,1
15,8
12,8
3,1
3,6
süd-
europäisch
25,1
56,4
12,7
12,4
1,5
1,1
arabisch
25,8
46,7
13,2
9,0
2,0
2,7
andere
18,5
44,1
10,8
9,0
2,3
2,3
     

Selbstreport über eigene Gewalthandlungen von Jugendlichen - Auszüge aus einer repräsentativen Untersuchung

In der Untersuchung wurden im Herbst 1995 insgesamt 3.540 Schüler/innen (jeweils ganze Schulklassen) im Alter von 11-17 Jahren und 448 Lehrer/innen aus 24 ausgewählten hessischen Schulen per Fragebogen befragt.


Prof. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann,
Prof. Dr. Heinz-Günter Holtappels
Dr. Ulrike Popp,
Dr. Birgit Holler-Nowitzki

siehe auch reales Problem:
Machtlos gegen Gewalt?

Daten zur Kinder- und Jugendgewalt

 

  ... Fast täglich registrieren 38% der Schüler/innen Beschimpfungen und gemeine Ausdrücke, 33% gemeine Gesten und 28% das Verspotten von Mitschülern; über einen größeren Zeitraum (mindestens mehrmals monatlich) sind es gar drei Viertel bis zwei Drittel, die solche Verhaltensweisen miterleben. 9% hören fast täglich ausländerfeindliche Sprüche; 28% mindestens mehrmals pro Monat. ...
Was physische Gewalthandlungen anbetrifft, so berichten rund 28% der Schüler/innen, daß mehrmals monatlich eine ernsthafte Prügelei zwischen zwei Jungen stattfindet, viermal so häufig wie zwischen zwei Mädchen, dreimal so häufig wie zwischen Mädchen und Jungen. 7% haben Gruppen-Schlägereien gesehen, nur 4% aller Schüler/innen beobachteten Angriffe mit einer Waffe. Ohnehin hat nicht jede Rauferei einen ernsten Hintergrund mit Verletzungsabsicht, denn die weitaus meisten Raufereien sind "Spaßkämpfe" oder "Kräftemessen": 57% beobachten dies mehrmals monatlich bei Jungen, 13% bei Mädchen. Erpressungen von Mitschülern in Form von Geld- und Sachforderungen haben 6% bzw. 5% der Schüler/innen registriert. Weitaus häufiger hingegen werden Sachbeschädigungen beobachtet: an Toilettenanlagen (mehrmals monatlich von 33% gesehen), an Einrichtung oder Unterrichtsmaterial der Schule (jeweils 19%), Beschmieren oder Besprühen der Wände (26%), an Eigentum der Mitschüler (22%). ...

Genauere Aufschlüsse über Gewalthäufigkeiten erhalten wir aus den Angaben der Schüler/innen über Art und Häufigkeit selbst ausgeübter Handlungen als Täter: Danach haben sich 31% innerhalb eines Jahres gelegentlich mit anderen geprügelt, davon 11% mehrmals monatlich. 14% verprügelten mit anderen zusammen einen Mitschüler, davon 6% mehrmals im Monat. 11% haben gezielt Mitschüler auf dem Schulweg belästigt, bedroht oder verprügelt, 5% davon betrieben dies mehrfach im Monat. Rund ein Fünftel war innerhalb eines Jahres (davon 6-8% mehrmals monatlich) an Erpressungen von Mitschülern beteiligt. 11% haben schon einmal "Waffen" (z.B. Reizgas, Messer) mit in die Schule gebracht. Ebenfalls auf den Zeitraum eines Jahres bezogen wurden Beschädigungen im Schulgebäude von 18% (8% mehrmals im Monat) ausgegeben, bei Zerstörung von Schuleinrichtung und -material sind es 15% (6%), bei Eigentum der Mitschüler 14% (7%). Weiter verbreitet hingegen sind die verbalen Attacken: Bewußtes Streitanfangen mit Mitschülern wird im Jahresverlauf von 33% (davon 10% öfters) angegeben, von 54% (davon 22% öfters) das Beschimpfen der Mitschüler mit gemeinen Ausdrücken, von 57% (davon 25% öfters) das Hänseln und Sich-lustig-machen über andere, 51% (davon 24% öfters) ärgern und belästigen Mitschüler im Unterricht, 34% (davon 15% öfters) haben die Lehrperson provoziert.
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