Sophie Ennemoser
Dienstag, 30. April 2013
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Wie an jedem Tag hier im KZ Dachau gibt es einen Weckruf um 4:45 Uhr. Ich habe in der Nacht kaum ein Auge zugemacht. Ich liege hier in so engen Raum mit ca. 75 anderen „Häftlingen“ zusammen. Nun ist schon eine Woche vergangen, als sie mich im Judengetto aus meinem Haus gezerrt hatten und hier her brachten. Ich fühlte mich erniedrigt und grässlich, sie hatten uns mit einem Viehtransporter hierher ins KZ gebracht. Seit dieser Woche wünschte ich mir oft, dass ich tot wäre. Sie nehmen uns alles, unsere Wertgegenstände und unsere Würde. Hier gibt es zwei Sektionen, einmal die Gaskammer, dorthin kommt man, entweder, wenn man zu schwach für das Arbeiten ist, zu krank, zu alt oder wenn sie Platz für neue „Häftlinge“ brauchen.
„Naja, vielleicht wäre er besser, wenn sie uns einfach in eine Gaskammer geben, sodass wir schnell sterben und nicht mehr hier arbeiten und uns schlagen lassen müssen.“ Sagte eines Tages Nummer „18725“ zu mir, ich, wusste nicht, ob ich ihm recht geben sollte, ich hatte nämlich zwei Kinder zu Hause zurückgelassen.
Die zweite Sektion war die Vernichtung durch Arbeit. Ich war mir nicht sicher, welche Sektion für die Nazis nun besser war, aber ich denke sie haben von beiden einen Nutzen.
Ich setzte mich langsam auf und machte mich für den Appell um 6:00 Uhr bereit, naja ich musste ja nur meine Arbeitskleidung anziehen und schon war ich fertig. Ich richtete mein gelbes Dreieck und stand danach auf. Während ich dastand und auf den Wächter wartete, der uns jeden Morgen aufrief, mich und meine anderen „Mithäftlinge“. In dieser Baracke gab es hauptsächlich nur Juden. Zwei ältere Männer hatten ein blaues Dreieck auf ihrer Arbeitskleidung. Eine jüngere Frau hatte ein rosa Dreieck an der Kleidung. Sonst erkannte ich nur Juden mit gelben Dreiecken in dieser Baracke gab es also keine „Sippenhäftlinge“ oder „politische Häftlinge“.
Um Punkt sechs Uhr öffnet sich die einzige Tür der Baracke und zwei Soldaten traten ein. Einer machte den Appell, der andere schlug diejenigen, die noch nicht fertig waren. Der Appell war jedes, Mal in derselben Reihenfolge, zuerst die Juden (gelbes Dreieck), danach die politischen Häftlinge (rotes Dreieck), dann die Kriegsgefangenen (blaues Dreieck), danach die „Sippenhäftlinge“ (grünes Dreieck) und zum Schluss noch die Zufallshäftlinge (rosa Dreieck). Während ein Soldat den Appell machte, ging der andere Soldat geradeaus zu einem Mädchen hin. Ich schätzte sie um die vier Jahre, er riss sie aus dem Bett und schubste sie auf den Boden, sodass er heftig auf sie eintreten konnte. Mit diesem Bild vor Augen musste ich an meine Tochter Sara denken. In solchen Situationen bin ich froh, dass meine Kinder in der Schule waren, als die Soldaten kamen, um mich zu holen. Nach dem Appell hieß es immer arbeiten, von 7:00 bis 16:30 Uhr am Abend. Ich wurde mit einem Viehtransporter zu einem Betrieb geschickt, schon seit ich hierher kam, brachten sie mich zu diesem Betrieb, an den sie mich vermieteten. Andere mussten in die Rüstungsindustrie, auf Felder arbeiten oder sonstige Arbeiten machen. Nachdem man jeden Tag erschöpft von der Arbeit zurückkam, gab es um 17:00 Uhr das Abendessen. Meistens bekamen wir eine Scheibe Brot oder drei Löffel Brei. Vom Krieg draußen erfuhr man nichts. Ab und zu versuchten einige zu fliehen, doch zwecklos.
Nach dem Abendessen um 18:00 Uhr gab es einen erneuten Appell. Danach musste man noch im KZ aufräumen und Wäsche waschen, bis es um 21:00 Uhr zum Zapfenstreich kam. Meine Hoffnung war schon längst verschwunden, ich dachte, dass ich das hier nur noch länger ertragen konnte, wegen meiner Kinder. In diesem engen Raum hörte man das Atmen und röchelt der anderen „Gefangenen“. Manchmal dachte ich, dass man es im Gefängnis besser hätte als im KZ. Jeden Abend, wenn ich mich in den Schlaf weinte, erinnerte ich mich an die glückliche Zeit vor meine Zeit im KZ und versuchte mir einzureden, dass Hitler nicht immer da sein würde und dass, das KZ nicht ewig existieren würde.
In liebe Hannah
Geschrieben am 21 März 1939
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Kategorie:
Erlebnisbericht