Aus
meiner Jugendzeit
möchte ich eine
wahre Episode erzählen.

Willi
van Lück
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Die Geschichte spielte
sich im Sommer 1995 ab. Tagsüber hatte ich als Arbeiter im Gleislager
Opladen Gleisjoche zu zerlegen. Übrig blieben bei dieser Demontage aber
die Schwellen mit noch aufgeschraubten Unterlegplatten für die Schienen.
Denn hier gab es ein Problem: Die Joche stammten aus einem Tunnel und
das dortige "Klima" hatte die Köpfe der Schrauben, mit denen die Unterlegplatten
festgeschraubt waren, zu einer Spitze rosten lassen. Ehe also mit einem
Schraubenschlüssel die Schrauben gepackt werden konnten, mussten die Schraubenköpfe
mit einem Vorschlaghammer zusammengestaucht werden.
Allabendlich besuchte
ich zu dieser Zeit das Abendgymnasium. Also mussten auch Lateinvokabeln
gelernt werden. Diese schrieb ich am Wochenende (denn nur am Samstag und
Sonntag war Zeit für Schularbeiten) "sauber" in ein Vokabelheft. Und aufgeschlagen
legte ich das Heftchen von Montag bis Samstag (wir hatten noch die 48-Stunden-Woche)
in meine Kappe (Mütze), die ich auch zum Sonnenschutz bei der Gleismontage
immer aufsetzte.
So weit die Schilderung
der Situation, deren Verständnis notwendig ist, um die nun folgende "neue"
Paukmethode verstehen zu können. Sie ging so: mit der linken Hand
den Vorschlaghammer bereitstellen, mit der rechten Hand die Kappe absetzen,
in der hohlen Kappe "sum, es, est ... fui, fuisti, fuistis" lesen, Kappe
wieder auf den Kopf setzen und "sum, es, est ... fui, fuisti, fuistis"
im Sinn behalten. Dann den Vorschlaghammer mit beiden Hände fest packen
und mit jedem Schlag auf die Schraubenspitzen die lateinischen Formen
in den Kopf (ein)hämmern und die Schrauben platt klopfen. Nach einiger
Zeit mit der beschriebenen Methode eine neue Vokabel ins Bewusstsein rufen
und wieder bimsen. Und das über viele Stunden des Tages einen ganzen Sommer
lang. Die andern Rottenarbeiter erklärten mich für verrückt!
Eigentlich müssten
bei diesem - im wahrsten Sinne - "handlungsorientierten Einhämmern"
noch heute die Formen und Vokabeln festgehämmert da sein. Weit gefehlt,
ich kenne fast kein lateinisches Wort mehr, bis auf so bekannte wie "curriculum"
und "multi Media".
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