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1.1.
Thesen über die Bildung
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die Idee
des Nürnberger Trichters ...
davon müssen wir
Abschied nehmen!
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- Der Bildungskanon
der Schulen war immer ein Kind der Zeit und musste sich in den Lebensvollzügen
der wechselnden Zeiten bewähren.
- Die Vorstellungen
darüber, wie Menschen lernen, was dabei abläuft, sind auch heute noch
viel zu sehr von wenig reflektierten Alltagstheorien geprägt.
- Menschliches Lernen
wird immer mit Anstrengung verbunden sein. Es gibt keinen Königsweg
zur Erkenntnis und zum Wissen.
- "Richtiges", "gutes",
"wertvolles", "wahrhaftiges" Erkennen, Lernen und Wissen - oder wie
man das auch formulieren mag - muss immer einen humanitären und aufklärerischen
Bezug haben.
- Nur Lernen, Bildung
im Sinne von These 4 kann einen Beitrag zur sinnvollen, d.h. nicht zerstörenden
Bewältigung menschlicher Konflikte jeder Art leisten.
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Die Thesen des Konstruktivismus
sind nicht neu, wenn sie auch die Schulen bei weitem noch nicht erreicht
haben. Bereits im 18. Jahrhundert vertrat Gianbattista Vico in
seinem Werk "De antiquissima Italorum sapientia" (1710) konstruktivistische
Ideen, die allerdings nicht weiter aufgegriffen wurden: "Gott ist der
Urheber der Natur, der Mensch ist der Gott der Artefakte." "Wissen ist
gleichbedeutend mit machen können." "Erkennende Akteure können nicht wissen,
was jenseits der kognitiven Strukturen liegt, die sie selbst aufgebaut
haben." Ein anderer italienischer Autor, diesmal allerdings aus dem 20.
Jahrhundert, vertritt ebenfalls den konstruktivistischen Standpunkt.
Umberto Eco schreibt in "Il nome della rosa": "Jorge fürchtete
jenes zweite Buch des Aristoteles, weil es vielleicht lehrte, das Antlitz
jeder Wahrheit zu entstellen, damit wir nicht zu Sklaven unserer Einbildungen
werden. Vielleicht gibt es am Ende nur eines zu tun, wenn man die Menschen
liebt: sie über die Wahrheit zum Lachen bringen, denn die einzige Wahrheit
heißt: lernen, sich von der krankhaften Leidenschaft für die Wahrheit
zu befreien." "Wo ist da meine ( die jenige von William von Baskerville)
ganze Klugheit? Ich bin wie ein Besessener hinter einem Anschein von
Ordnung hergelaufen, während ich doch hätte wissen müssen, dass es in
dieser Welt keine Ordnung gibt." "Die Ordnung, die unser Geist sich vorstellt,
ist wie ein Netz oder eine Leiter, die er sich zusammenbastelt, um irgendwo
hinaufzugelangen. Aber wenn er dann hinaufgelangt ist, muss er sie wegwerfen,
denn es zeigt sich, dass sie zwar nützlich, aber unsinnig war."
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nur ein Prozent unseres Lernprozesses wird von außen angeregt ...

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Begründer
und Hauptvertreter des Konstruktivismus sind Heinz von Förster, Humberto
Maturana, Franzisco Varela, Ernst von Glasersfeld, die alle von den
Naturwissenschaften herkommen. Auch Paul Watzlawick vertritt den
Standpunkt des Konstruktivismus. In der Schule ist die Sachlage allerdings
eine andere: Die Idee des Nürnberger Trichters, die auf Georg Philipp Harsdörfer
("Poetischer Trichter, die Teutsche Dicht- und Reimkunst ohne Behuf der
lateinischen Sprache in sechs Stunden einzugießen") zurückgeht, ist noch
weit verbreitet. Das ist das Bild von Schule, von Lernen, wie wir es immer
noch haben. Davon müssen wir Abschied nehmen, nicht bloß deshalb, weil die
Lernpsychologie es nahe legt, sondern vor allem, weil die Neurobiologie
"harte" Daten liefert. So wissen wir z. B., dass 99 % aller Vorgänge im
Gehirn aufgrund neurobiologischer Stimulation anlaufen, 1 % wird von außen
angeregt. |
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