Siehe auch folgende Modelle
Blumenstock
Brügelmann
Juna
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GÜNTHER (1986)
unterscheidet in seinem Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese-
und Schreibstrategien zwischen den beiden Modalitäten Lesen und Schreiben.
Der Schriftspracherwerb umfasst in seinem Modell fünf zweistufige
Phasen, wobei in jeder Phase neue Strategien alternierend zwischen den
beiden Modalitäten angewandt werden, um den Prozess einem höheren
Niveau zuzuführen. Lesestrategien eilen dabei den Schreibstrategien
immer voraus.
- In GÜNTHERS
Vorphase 0 überwiegt eine
präliterale-symbolische Strategie,
wobei die Bildanschauung, durch die Reduktion der Wirklichkeit auf den
zweidimensionalen Raum, im rezeptiven Bereich den Übergang von
präliteraler zu literaler Tätigkeit bildet.
Das graphische Gestalten bereitet auf dieser Stufe am direktesten
auf das Schreiben vor. Der nächste Schritt in der Schreibentwicklung
ist das spontane Nachahmen des Schreibaktes, wobei sich das Kind nur
an der Handlung, nicht jedoch an der kommunikativen oder gedächtnisstützenden
Funktion des Schreibens orientiert. Die Symbolfunktion wird nur teilweise
wahrgenommen. Damit sich jedoch der Übergang zur eigentlichen Schriftsprachaneignung
vollzieht, ist ein qualitativer Sprung notwendig, indem schriftsprachliches
Material als spezifisch strukturiertes, von anderen graphischen Formen
unterschiedenes, d.h. literal organisierte Modalität von Sprache
erfasst wird.
- In der Phase
1 wenden Leseanfänger nach GÜNTHER die "logographemische"
Strategie an. Dies ist eine rein visuelle Vorgangsweise,
wobei bekannte Wörter an charakteristischen Details der Wortbilder
erkannt werden.
Das sind: Wortlänge und auffällige Buchstaben.
Als Lesestrategie bewährt sich die logographemische Strategie relativ
lange. Sollen Wortbilder jedoch aus dem Gedächtnis reproduziert
werden, macht sich die Unzulänglichkeit dieser Strategie bemerkbar
und provoziert bei wachsenden Schreibaktivitäten den Wechsel der
Strategie.
- Dadurch wird Phase
2, die alphabetische Strategie,
eingeleitet. Sie beruht auf der Erkenntnis der Phonem-Graphem-Korrespondenz.
Jedes Wort wird jetzt nach der sequentiellen Folge seiner Elemente analysiert
und lautsprachlich zugeordnet. Visuelle und phonologische Analyse stützen
sich dabei gegenseitig.
Die alphabetische Strategie kann aber nur ein Zwischenschritt in der
Entwicklung sein, da sie durch die analytische Konzentration
auf die nicht bedeutungstragenden Einzelelemente die inhaltliche Erfassung
des Gelesenen erheblich erschwert.
- Diese Probleme
werden in Phase 3, der orthographischen
Strategie, überwunden. Sie stützt sich auf intuitive
linguistische Wortbildungsregeln, wobei bedeutungstragende Morpheme
und häufige Buchstabensequenzen und Silben die Grundeinheiten bilden.
Mit der orthographischen Strategie ist der integrierende Abschluss des
Schriftspracherwerbs erreicht, der sowohl Rezeption, als auch Produktion
steuert und sich weder ausschließlich visuell noch phonemisch
begründet.
- Entsprechend einer
Vorlage von FRITH (1984) fügt GÜNTHER dem Modell noch die
Phase 4, die "integrativ-automatisierte"
Phase, hinzu. Sie stellt keine neue Strategie dar, sondern
bezeichnet den schriftlichen Sprachgebrauch des kompetenten Lesers-
und Schreibers in einem autonomen und funktionsspezifischen Repräsentationssystem
der Sprache.
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