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Die Montessori-Pädagogik als Konzept der Selbstbildung
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    von Harald Eichelberger            


Leben und Werk

Die Bedeutung der
Reformpädagogik heute

Der Jenaplan

Grundelemente der
Montessori-Pädagogik

Umsetzung in die
Praxis

 

Maria Montessori - der Zugang zum Selbstbildungsprozess

Im Zentrum ihres frühen Forschungsinteresses stand das wissenschaftliche Studium der Aufmerksamkeit, gefasst unter der Bezeichnung "psychische Reaktionen" sowie die experimentelle Untersuchung der Anregungsbedingungen. Für diesen Untersuchungsansatz griff Maria Montessori auf die einschlägigen Forschungsarbeiten von Jean Gaspard Itard und Eduard Séguin zurück.

Maria Montessori bezog einen weiteren Faktor mit ein: das Studium der Entwicklung des Kindes, und zwar nicht als Voraussetzung erster kinderpsychologischer Erkenntnisse, sondern als Beobachtung kindlicher Selbstäußerungen unter Gewährung von Entwicklungsfreiheit in konkret gestalteten pädagogisch-didaktischen Situationen. (Nach Holtstiege, Hildegard, Maria Montessori und die reformpädagogische Bewegung, S. 35.)

Langwierige und in der Stille betriebene Versuche, zu denen sie von Jean Gaspard Itard und Eduard Séguin angeregt wurde, bezeichnet Montessori als ihren ersten Beitrag zu Erziehung. Die eigentliche Experimentalphase war die Zeit von 1898 bis 1900, in der sie die Scuola Ortofrenica leitete.

Die Gestaltung des römischen Kinderhauses in San Lorenzo stellte bereits die Anwendung dieses Beitrages dar und brachte eine Entdeckung, die zum Kristallisationspunkt aller weiteren experimentalpsychologischen Forschung wurde - die Polarisation der Aufmerksamkeit.

 

   
 

Die Polarisation der Aufmerksamkeit

Die Polarisation der Aufmerksamkeit ist das Schlüsselphänomen, dessen Entdeckung Maria Montessori den Zugang zu einer wirksamen Unterstützung kindlicher Entwicklung gewiesen hat. Sie nennt dieses Phänomen "einen wichtigen Stützpunkt, auf dem sich die kindliche Arbeit aufbaut." (Holtstiege, Hildegard, Modell Montessori, Freiburg 1968, S 174.) Das Phänomen der Polarisation der Aufmerksamkeit entdeckte Maria Montessori bei der Beobachtung eines dreijährigen Kindes, das sich mit den Einsatzzylindern beschäftigte:

"Zu Anfang beobachtete ich die Kleine, ohne sie zu stören, und begann zu zählen, wie oft sie die Übung wiederholte, aber dann als ich sah, dass sie sehr lange damit fortfuhr, nahm ich das Stühlchen, auf dem sie saß, und stellte Stühlchen und Mädchen auf den Tisch; die Kleine sammelte schnell ihr Steckspiel auf, stellte den Holzblock auf die Armlehnen des kleinen Sessels, legte sich die Zylinder in den Schoß und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Da forderte ich alle Kinder auf zu singen; sie sangen, aber das Mädchen fuhr unbeirrt fort, seine Übung zu wiederholen, auch nachdem das kurze Lied beendet war. Ich hatte 44 Übungen gezählt; und als es endlich aufhörte, tat es dies unabhängig von den Anreizen der Umgebung, die es hätten stören können; und das Mädchen schaute zufrieden um sich, als erwachte es aus einem erholsamen Schlaf."
(Montessori, Maria, Schule des Kindes, Freiburg 1976, S. 70.)

Über die pädagogische Bedeutung dieses Phänomens schrieb Maria Montessori:

"Dies ist offenbar der Schlüssel der ganzen Pädagogik: diese kostbaren Augenblicke der Konzentration zu erkennen, um sie beim Unterricht in Lesen, Schreiben, Rechnen, später in Grammatik, Mathematik und Fremdsprachen auszunützen. Alle Psychologen sind sich übrigens darin einig, dass es nur eine Art des Lehrens gibt: tiefstes Interesse und damit lebhafte und andauernde Aufmerksamkeit bei den Schülern zu erwecken."
(Maria, Das Kind in der Familie, Stuttgart 1954, (Wien 1923), S. 59.)
 
     
 

Mit dieser Entdeckung hatte Maria Montessori einen Zugang zum kindlichen Selbstbildungsprozess gefunden. Dabei vertraut sie auf eine nur im Kind vorhandene Fähigkeit, dem absorbierenden Geist:

Eine ausschließlich kindliche Fähigkeit

"Wir sind Aufnehmende, wir füllen uns mit Eindrücken und behalten sie in unserem Gedächtnis, werden aber nie eins mit ihnen, so wie das Wasser vom Glas getrennt bleibt. Das Kind hingegen erfährt eine Veränderung: Die Eindrücke dringen nicht nur in seinen Geist ein, sondern formen ihn. Die Eindrücke inkarnieren sich in ihm. Das Kind schafft gleichsam sein "geistiges Fleisch" im Umgang mit den Dingen seiner Umgebung. Wir haben seine Geistesform absorbierender Geist genannt."
(Montessori, Maria, Das kreative Kind, S. 23.)

Erwachsene nehmen ihr Wissen mit Hilfe der Intelligenz auf, das Kind absorbiert es mit seinem psychischen Leben. Gerade darin äußert sich das qualitative Anderssein der frühkindlichen Intelligenz und ihrer Aktivitäten. (Holtstiege, Hildegard, Modell Montessori, S. 75.)

 
     

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000