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DIE THESE
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  von George Kuppens            


Die Frage

Lebens- und
Arbeitsgemeinschaft

Unsere Antwort

 

 

Wenn Kinder und Lehrer in eine Situation versetzt werden, in der sie einerseits auf Grund der Gestaltung und der Raumordnung der Schule "gezwungen" sind, gemeinsam zu leben und zu arbeiten und sie andererseits dieses Leben und diese gemeinsame Arbeit möglichst effizient organisieren müssen, das heißt indem die Unterrichtsformen je nach den oben erwähnten Bedürfnissen und Zielen variiert werden, kann man sich leicht die Fragen und die konkreten Probleme vorstellen, für die gemeinsam eine Lösung gefunden werden muss. Andernfalls läuft man sehr leicht Gefahr, in die pädagogische Anarchie mit allen katastrophalen Konsequenzen für den Unterricht und die Erziehung der Kinder, aber auch für das persönliche Gleichgewicht der Erwachsenen zu versinken.

Natürlich stellt sich die Frage der "allgemeinen Disziplin" innerhalb des Schulgebäudes. "Wie soll eine gemeinsame Lebens- und Arbeitsordnung geschaffen werden?" Die ersten Fragen, die sich stellen, sind also sozialer Natur. Zu einem sozialen Problem gehört eine soziale Lösung und folgerichtig die Möglichkeit einer sozialen Lehre. In der Tat, wenn lernen bedeutet Problemsituationen zu lösen, dann bedeutet Sozialverhalten lernen das Lösen von Problemen, die durch soziale Situationen entstanden sind. Nur indem Lernende in solche Situationen versetzt werden, können sie lernen sich sozial korrekt zu verhalten.

Einige Lehrer werden versucht sein, diese Probleme zu lösen, indem erneut Mauern und Trennwände hochgezogen werden, um den Schulraum wieder zu "schließen". Sie weichen dem sozialen Problem also aus, verhindern aber damit auch das mögliche soziale Lernen.

Andere führen eine drakonische und autoritäre Disziplin ein und umgehen damit das soziale Problem, was ein reales Erlernen sozialen Verhaltens auch unmöglich macht.

 

 

 

Andere wiederum, welche die erzieherische Herausforderung der Situation begriffen haben, gehen nach den Regeln des Rechts und des Gesetzes vor: Sie gewähren den Kindern sehr konkret das Recht auf Rede- und Bewegungsfreiheit. Damit ist das Problem des gemeinsamen Lebens und der gemeinsamen Arbeit automatisch gestellt parallel dazu stellen sie ganz natürlich die Frage nach dem "Gesetz", das für das Überleben der Gruppe notwendig ist. Ein Gesetz, das mit den Schülern definiert, erarbeitet und geübt werden muss. Recht und Gesetz sind hier eng miteinander verbunden.

Man kann also klar feststellen, dass die Antwort sowohl durch die Lehrer wie durch die Schüler erteilt wird. Die Disziplin wird zu einem echten Schulprojekt. Ob Erwachsene oder Schüler, alle sind betroffen. Gemeinsam schaffen, leben, verändern, respektieren sie das Gesetz, sie sorgen sich für die Einhaltung des Gesetzes, es wird zu ihrem Gruppengesetz, einem wesentlichen Bestandteil einer Lebensgemeinschaft. Disziplin wird dann zur Selbstdisziplin.

Die Kinder werden also lernen, sich alleine oder in kleinen Gruppen im Schulraum fortzubewegen, und dies mit der gebotenen Ruhe, ohne zu laufen, zum richtigen Anlass und zum richtigen Zeitpunkt. Sie werden lernen zu schweigen, wenn dies geboten ist. Sie werden lernen, mit Hilfe des Erwachsenen alleine oder in der Gruppe selbstständig zu arbeiten.

 

 

All dies kann, wie alles andere auch, erlernt werden mit Hilfe des "Problemlösungserfahrens". Im vorgegebenen Fall bedeutet dies konkret: das Problem des sozialen Verhaltens und der Disziplin in der Schule muss konkret angegangen werden, indem das Recht auf Bewegungs- und Redefreiheit eingeführt wird die Herausforderung auf beiden Seiten, die durch den Austausch zwischen Erwachsenen und Kindern stattfindet, muss verstanden und akzeptiert werden. Es müssen Verhaltensweisen je nach konkreter Situation gefunden werden und das "Gruppengesetz" muss gemeinsam erarbeitet werden, dieses Gesetz muss täglich gelebt und angewandt werden. Das Verhalten beim gemeinsamen Leben und beim gemeinsamen Arbeiten muss nach den Maßstäben dieses Gesetzes bewertet werden; je nach Bedürfnissen, Wünschen oder Verpflichtungen muss entweder das Verhalten oder das Gesetz abgeändert werden. Die durch das Gesetz vorgesehenen Strafen müssen erteilt werden.
Vom Lernen durch Konditionierung geht man über zum Erarbeiten von Sozialverhalten. Vom Dressieren geht man also über zum Erziehen.

Kurz gesagt, das gemeinsame Leben und die gemeinsame Arbeit in einem offenen, halb offenen oder flexiblen Raum stellt die Schulgemeinschaft vor ein Problem des Überlebens, das nur in einem "gesetzlichen" Rahmen geregelt werden kann, der klar definiert mit den Kindern ausgearbeitet von den Kindern bekannt, durch die Kinder und die Lehrer gelebt und mit den Kindern bewertet wird.

Unserer Meinung nach kann eine Schularchitektur, wie wir sie oben beschrieben haben, zur Schaffung und Beibehaltung einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft in einer Schule beitragen, falls diese erzieherische Dimension eine echte Sorge der Lehrer darstellt.

Tatsächlich wissen dies die Pädagogen. Die Architekten liefern das Werkzeug, die Kinder sind die Akteure und die Lehrer sind die Handwerker.

   

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000