blikk blikk-Bildung   schularchitektur          
  zum forum zur galerie zur übersicht  
infos zum arbeitsbereich infothek  
blikk lehrerfortbildung        
   
SPEZIFISCHE RÄUME - DIE SCHULWOHNSTUBE
  zum anfang zurückblättern umblättern ans ende eine ebene nach oben
  von George Kuppens            


Neubau

Umbau / Renovierung

Vertikaler Raum

Flexible Raumgestaltung

Schalldämmung

offen

Video
Größe: 4282 Kb

"Das Lokal der Stammgruppe muss eine Art Schulwohnstube werden." (Petersen, Peter, Der Kleine Jenaplan, 60. Auflage, Weinheim 1980. S. 32.) Das Haus wird gewissermaßen zum Modell. Die Lokale der Stammgruppen entsprechen mehreren Bedürfnissen praktischer und erzieherischer Art. Drei davon möchte ich besonders hervorheben.

Zuerst eine ästhetische Sorge. Sie macht sich besonders bemerkbar

  • durch die Qualität der Raumausstattung,
  • durch den Erhalt der Ordnung,
  • durch das im Lokal der Stammgruppe zugelassene Mobiliar (dementsprechend befindet sich der Sandkasten nicht im Lokal der Stammgruppe, sondern im Atelier. Tatsächlich handelt es sich hier um ein Werkzeug und Werkzeuge haben ihren Platz im Atelier, nicht in der Wohnstube).

Danach die Sorge nach gutem Zusammenleben. Sie kommt zum Vorschein

  • durch die Anordnung der Bänke in Tischgruppen,
  • durch das Vorhandensein verschiedener Ecken, die besonderen Aktivitäten vorbehalten sind (Leseecken, Bauecken, Malecken, Kreisecken, Kochecken, usw.).

Ein Klima von gutem Zusammenleben wird beispielsweise auch durch die Anwesenheit eines Vogels, das regelmäßige Geräusch einer Wanduhr, den durch die Kinder besorgten Pflanzenschmuck, usw. gefördert. Dinge, die den Kindern gehören, große oder kleine Schätze, die sie zur Schau stellen können, sind starke affektive Bindungen, die in hohem Maße zum verbesserten Zusammenleben beitragen.

Schließlich die Sorge um das Arbeitsklima. Dieser Sorge wird mit der Klassierung und Ordnung in den (offenen) Schränken und auf den Regalen begegnet. Dort findet man

  • das Basislehrmaterial,
  • die Arbeitsunterlagen,
  • die didaktischen Spiele,
  • die Werkzeuge (Pinsel, Bleistifte, Hefte, Bücher),
  • die Klassenbibliothek,
  • die Geografiekarten, usw.

 

 

Peter Petersen betont die Wichtigkeit einer intimen Atmosphäre, die innerhalb der Gruppen herrschen muss. Dies ist eng mit der Existenz eines eigenen Raumes für jede Stammgruppe verbunden und die Kinder müssen sich wohl fühlen in ihrem Raum. Diese einladende, intime Atmosphäre ist von größter Bedeutung für das spirituelle Wachstum der Kinder. Tatsächlich gewährleistet sie ruhige Austausche, den freien Ausdruck, den Wunsch zu lernen.

Es ist nichts Neues: der Wunsch ist weitaus tiefer verwurzelt und stärker als die bloße Notwendigkeit, da er das gesamte Wesen umfasst. Soll alles, was der Unverträglichkeit anzugehören scheint, dem Irrationalen verbunden ist, soll all dies die Pädagogen dazu verleitet haben, den Wunsch auf die Ebene einer Notwendigkeit zu reduzieren? Der Jenaplan möchte dem Wesen mit seinen tief gehenden Wünschen begegnen und aus diesem Grund ist eine einladende Atmosphäre guten Zusammenlebens von größter Bedeutung. Zweifellos trägt die schulische Raumordnung hierzu in hohem Maße bei.

In Realität bewegt man sich weg von einer Schulatmosphäre im Geist des Kasernenhofs zu einer Haus- oder besser noch Heimatmosphäre. Ovid Decroly, Zeitgenosse von Peter Petersen, empfand das Haus ebenfalls als eine wesentliche pädagogische Realität: es weckte und es unterhielt ein starkes Interesse.

Innerhalb des Hauses entstehen die ersten Erforschungsreisen, alle Abenteuer gehen von dort aus: im Haus befinden sich die Wurzeln des Imaginären. In diesem familiären und geliebten Umfeld, das existenziellen Bedürfnissen, insbesondere der Suche nach der schätzenden Umwelt, gerecht wird, entstehen und entwickeln sich tiefe und subtile affektive Wurzeln. Das Kind - wie alle Menschen gleich welchen Alters - hat ein Bedürfnis nach Vertrautheit und dem Schutz seines Hauses: Es ist dies das "Schneckenhaus" des Menschen.

  • Aber bestehen noch viele Häuser dieser Art? Leben unsere Kinder der Städte noch in Häusern, die ihnen den nötigen Raum, die Lichtseiten, die Entdeckungsmöglichkeiten bieten?
  • Ist es noch das Haus mit seinen Kellern, seinen Treppen und seinen Schattenbereichen, denn auch der Schatten ist Teil des Wohnraums?
  • Bieten die Wohnungen der großen Wohnsilos am Rande der Städte oder gar die der neuen Städte noch das gleiche Potenzial an Entdeckungen, an Erfahrungen, an Träumen?

Kann also die Schule nicht zu diesem Haus werden? Das Schulhaus, die Schulstube? Begriffe also voller Sinn. Das besonders sensible Kind wird sein ganzes Leben lang durch die Atmosphäre gekennzeichnet sein, in der seine Schulzeit stattgefunden hat. Eine reichhaltige Literatur über die Erinnerungen der Kindheit beweist diesen Einfluss und seine Folgen im Verhalten des Erwachsenen mit Nachdruck. Wenn man dies also bedenkt, wird die Größe der Verantwortung des Architekten klar, der sich um die Errichtung von Schulbauten kümmern muss, auch wenn diese Verantwortung allzu häufig verkannt oder gar verneint wird.

 

 

In vielen Fällen - und dies sollte ganz deutlich hervorgehoben werden - können diese Gebäude Gegenstand einer echten Renovierung sein. Auch wenn es keine allgemein gültige Regel für das Gelingen der Umwandlung schulischer Bauten gibt so gibt es doch einige einfache Prinzipien, die es erlauben, den Schulraum anpassungsfähig, offen und funktional zu gestalten. Ich habe einige bemerkenswerte Sanierungen alter Schulen kennen gelernt, und immer wieder lerne ich neue kennen: keine überflüssigen oder glänzenden Wagnisse, sondern hauptsächlich gelungene Unterfangen auf funktionaler Ebene.

Einige Prinzipien dominieren bei diesen Umänderungen und vier davon möchte ich besonders hervorheben.

Erstens: Es werden bessere Durchgangs- und Umstellmöglichkeiten eingerichtet um Kommunikation und Verbindung zu fördern und somit eine Didaktik der Partizipation und eine echte Lebensgemeinschaft zu erlauben.

Schematisch besteht die architektonische Umänderung einerseits darin, den Schulraum zu öffnen und Trennwände im wörtlichen Sinn zu beseitigen und andererseits gleichzeitig die großen Schulpopulationen in kleinere, autonome Systeme zu unterteilen.

Die Anwendung dieses Prinzips ergibt beispielsweise die Umänderung eines Stockwerks einer (Schul)kaserne mit großer Schulbevölkerung. Dieser nach dem Grundsatz- der Beseitigung von Trennwänden und der Unterteilung der Schulbevölkerung umgeänderte Raum sorgt für räumliche Einheiten, die es erlauben, Stammgruppen, eine Stufe, eine Schulebene aber nie eine Altersklasse zu empfangen.

Die Anordnung dieses Raumes kann dann wie folgt geplant werden:

  • Lesen und/oder Bauecken,
  • Regale mit Büchern, Materialien, Karteikästen usw.,
  • speziell für Gruppenarbeit eingerichtete Räume,
  • privilegierte Stellen für Lernkreise und Feste.

Diese Anordnung ist abhängig von den persönlichen Vorstellungen der Benutzer, sprich der Lehrer und der Schüler. Manchmal ist man durch die Qualität der Anordnungsvorschläge der Kinder für ihren Schulraum erstaunt. Daraus kann ein echtes Klassen- oder gar Schulprojekt werden. Die Fähigkeit, seine eigene Arbeitsumgebung in Frage zu stellen, sie nicht zu erleiden, sondern der neuen Lebensphilosophie der Schule anzupassen zeugt von einem wahrhaft positiven und befreiendem Verhalten.

Zweitens: Die Einrichtung von Schalldämmungstechniken. Der offene Raum, das Zusammenleben und die Mitwirkung zwischen Schülern (zwischen Gruppen), die Bewegungsfreiheit innerhalb des Schulraums erzeugen notwendigerweise eine gemeinsame Regel - das Gesetz der Gruppe.

Drittens: Die Ausnutzung des vertikalen Raumes.

Viertens: Die Einrichtung besonderer Räume für bestimmte Unterrichtsformen. Um dieses vierte Prinzip zu verdeutlichen, möchte ich erneut auf Peter Petersen verweisen. Er schreibt: "Die Schule umfasst auch einen großen Raum für die manuellen Arbeiten und die Techniken, einen Raum für die naturwissenschaftlichen Arbeiten, eine Turnhalle und einen Versammlungsraum für musikalische, theatralische und festliche Aktivitäten." ...

Dies ist nicht immer möglich in allen alten Schulen. Dennoch begegne ich mehr und mehr gelungenen Kellerumbauten für manuelle Arbeiten und ästhetisch sehr gelungenen Speicherrenovierungen für festliche Zusammenkünfte. Natürlich müssen alle erforderlichen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Diese legitimen Anforderungen führen manchmal zum Verzicht solcher Initiativen.

Kurzum, viele alte Schulbauten können Gegenstand funktioneller und seriöser Renovierungen werden, unter der Voraussetzung natürlich, dass ihre Grundstruktur sich in einem guten Zustand befindet. Wenn es auch keine Modelllösung für den Umbau gibt, so können doch vier Grundprinzipien fest gehalten werden:

  • die Beseitigung von Wänden im Raum und die Unterteilung der Schulbevölkerung;
  • eine möglichst weit gehende Schalldämmung;
  • die Ausnutzung des vertikalen Raumes und
  • die Einrichtung spezifischer Lokale.
     

© Pädagogisches Institut der deutschen Sprachgruppe - Bozen - 2000