Norbert c. Kasers „Brixner Rede“ und die Tiroler   Literatur nach 1970 
										      Das Ende des zweiten Weltkrieges bedeutet keinen   Einschnitt für die Tiroler Literatur.  
                                               
Erst gegen Ende der 1960er Jahre verändert sich die literarische Landschaft allmählich. Diese Entwicklung   verläuft aber in Nord-, Osttirol und Südtirol nicht parallel. Nordtirol ist auch   weiterhin geprägt von der konservativen Haltung des „Turmbundes“ , der versucht,   „abseits von den modernen Strömungen einen eigenen Weg zu finden“ . Außerhalb   des Turmbundes bewegen sich Autoren der älteren Generation wie Heinz Gappmayr   (geboren 1925), ein auch außerhalb Tirols bekannter Vertreter der visuellen   Poesie, Felix   Mitterer und Otto Grünmandl (1924 – 2000, in Hall in Tirol geboren, lebte in   Innsbruck). Er trat als Kabarettist und Schauspieler, Hörspielautor, Lyriker und   Prosa-Autor in Erscheinung.  
 
In Südtirol hingegen herrscht nach Norbert   Conrad Kasers „Brixner Rede“ im Jahre 1969, in der der Dichter mit den   etablierten Südtiroler Autoren und Kulturträgern abrechnet, Aufbruchstimmung:   „Der Monopolstellung der traditionellen, ideologisch gefärbten Heimatdichtung“   wird der Kampf angesagt.  
											  Bereits im Jahre 1970 erscheint die Anthologie „Neue   Literatur aus Südtirol“. Im Auftrag der Südtiroler Hochschülerschaft   herausgegeben, stellt sie als erste Sammlung deutschsprachiger Literatur des   Landes nach 1945 eine Reihe von Autoren vor, die sich inhaltlich und formal   stark von der älteren Generation abgrenzen. Vertreten sind Autoren wie Norbert   Conrad Kaser (1947 – 1978), Gerhard   Kofler (1940 bis 2005), Konrad Rabensteiner (geboren 1940, vor allem   Lyriker), Herbert   Rosendorfer und Joseph Zoderer. 1974 wird der „Kreis für Literatur“, später   „Kreis Südtiroler Autoren“ gegründet. 
											   Um die Gattung Drama in Südtirol bemühen   sich die zwei „Südtiroler Theaterinitiativen“ 1976/77 und 1980 mit je fünf   Uraufführungen von Werken Südtiroler Autoren. Zu dieser Zeit erschienen auch   eine Reihe von Zeitschriften, die sich der jungen Literatur widmeten: Das   „Fenster“, „Föhn“ und „InN“ in Nordtirol, „Arunda“, „Distel“ und „Sturzflüge“ in   Südtirol.  
                                                 
                                                Norbert C. Kaser ist in dieser Zeit der   Rebell unter den Südtiroler Autoren: Schonungslos und scharfzüngig nimmt er Land   und Leute aufs Korn. Er schreibt Gedichte, kurze Prosatexte, z.B. Märchen,   Legenden, historische Skizzen, Reiseimpressionen und Naturbeschreibungen,   Briefe. Heute zählt er zu den bekanntesten Autoren aus Südtirol.  
                                                 
                                                Typisch   für die neue Literatengeneration in Südtirol war auch ein zunehmendes Interesse   an der italienischen Volksgruppe und die Verknüpfung von deutscher, ladinischer   und italienischer Kultur.  
                                                 
                                                So erzählt Joseph Zoderer in seinem Roman „Die   Walsche“ die Geschichte einer Frau, die aus einem Bergdorf in die Stadt, aus   einer deutschsprachigen Umgebung in eine italienische zieht. Olga hat sich in   Silvano verliebt; mit ihm betreibt sie eine Bar. Als ihr Vater stirbt, kehrt sie   in ihr Heimatdorf zurück und erkennt, dass sie nirgendwohin gehört. Zentrale   Themen sind der Identitätsverlust und die Suche nach der eigenen Identität.  
                                                 
                                                Seit dieser Zeit ist die literarische Landschaft Tirols der Gegenwart bunter und lebendiger geworden. Dies zeigt sich auch in den Veröffentlichungen   des jungen Innsbrucker Verlages Skarabæus. 
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