Rahmendaten
zum Projekt
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Projektzeitraum:
Anfang Mai bis Anfang
Juni 98
Genutztes Medium: Lern- und Arbeitsbereich
"Friedensfähigkeit" Fallbeispiel: "Streit um die Wippe"
und Fallbeispiel: "Ich heiße nicht Pumuckl".
Beteiligte Schulen: 6 Grundschulen aus
NRW und eine Grundschule in Lana
Ausstattung:
in der Medienecke der
Klassen ein Multimedia-Computer mit Internetanschluss, Scanner und Drucker.
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Zum Fallbeispiel
"Streit um die Wippe" wird aus der Sicht eines 4. Schuljahres der Grundschule
Pantringshof in Herne und zum Fallbeispiel "Ich heiße nicht Pumuckl" aus
der Sicht eines 5. Schuljahres der Grundschule in Lana berichtet. Die
Kinder am "Pantrings Hof" und in Lana hatten bereits Erfahrungen im Umgang
mit Hypermedia-Arbeitsumgebungen in vorausgegangenen Projekten gesammelt.
In diesem Projekt wurden sie zusätzlich in die neuen Möglichkeiten der
Online-Medien, sowohl in die Navigation der Mediothek als auch in die
Nutzung der Eingabemaske des Schwarzen Brettes eingeführt. Der Unterricht
fand im Rahmen des regulären Stundenplanes im Sach-und Spracheunterricht
statt.
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Einstieg
in das Thema "Beleidigung" in Herne
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Ein Gesprächskreis
über den konkreten Anlass einer Beleidigung eröffnete die Unterrichtseinheit.
Danach haben die Kinder, nach ihrem eigenen Willen, erst einmal Beispiele
von Beleidigungen in ihren Tischgruppen gesammelt und auf Karteikarten
geschrieben. Alle Karten wurden anschließend im Gesprächskreis vorgetragen
und diskutiert. Dabei ergaben sich vier Möglichkeiten von verbalen Beleidigungen:
- "Erwachsene beleidigen
Kinder"
- Beleidigungen wegen
der Herkunft "Du Türke"
- Beleidigungen wegen
des Aussehens "Du Pumuckl"
- "Mädchen beleidigen
Jungen"
Je nach
Interessenlage bildeten die Kinder nun Kleingruppen zu den verschiedenen
Arten von Beleidigungen. Aufgabe jeder Kleingruppe war es, die Beleidigungsfälle
gewaltfrei zu lösen und evtl. Möglichkeiten zu finden, einen solchen Konflikt
erst gar nicht entstehen zu lassen.
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Einstieg
in die Online-Kommunikation
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Zum Einstieg in die
Online-Kommunikation verfasste jede Kleingruppe als erstes einen kurzen
Begrüßungstext am Schwarzen Brett, in dem sie ihr Thema vorstellte und
ihre Namen bekannt gab.
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Mit
großer Begeisterung stellten die Kinder fest, dass ihr Text schon kurz
nach dem Abschicken, am Schwarzen Brett zu sehen war. Mit Spannung wurde
am nächsten Tag auf Beiträge von anderen Schulen gewartet. Angekommene
Beiträge wurden in der Kleingruppe gemeinsam gelesen, ausgedruckt, an
eine Pinnwand in der Klasse öffentlich gemacht und im Arbeitsordner der
Kleingruppe abgeheftet, damit die "Sache" am Gruppentisch weiter bearbeitet
werden konnte
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Blick
in die Medienecke der Klasse und auf die Aushänge
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"Streit
um die Wippe"
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Das
Fallbeispiel "Streit um die Wippe" war Anlass für die Kleingruppe "Du Türke",
sich mit der Problematik, der Beleidigung wegen der Herkunft, auseinander
zu setzen. Die Kinder schrieben zunächst ein Beispiel aus ihrem Erlebnisbereich
und hefteten es ans "Schwarze Brett". |
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Die
Gruppe "Du Türke": Isabel, Marcel, Daniel, Maik und Ramis, Klasse 4a,
GS Pantrings Hof schrieben:
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Ramis
ist in unserer Klasse. Er fühlt sich eigentlich sehr wohl bei uns. Er ist
10 Jahre alt. Beim Fußballspielen in der Pause gibt es oft Streitereien.
Darüber hat uns Ramis etwas erzählt: Beim Fußballspielen wird oft gerempelt
und dadurch kommt es oft zu gewaltigen Streitereien und kräftigen Schimpfwörtern.
Ramis wird oft "Türkenmischling" genannt. Ramis fühlt sich dann ausgestoßen
und will nicht mehr mitspielen. Dann geht er weg. Nach ein paar Minuten
will er dann doch weiterspielen. |
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Am
Schwarzen Brett entwickelte sich eine lebhafte Diskussion
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An
der Diskussion beteiligten sich mehrere Schulen intensiv. Es entstand ein
vielschichtiges Bild der Problematik. Alle Beiträge wurden mit großem Interesse
gelesen und in der Kleingruppe weiter diskutiert . Völlig überrascht waren
die Kinder, als sie den folgenden Beitrag der Grundschule aus Lana am Schwarzen
Brett entdeckten. |
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Stefan,
Andreas, Dennis und Werner aus Lana schrieben:
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Wir
(Stefan, Andreas, Dennis und Werner) haben das ähnliche Problem wie ihr.
Nur statt Türken sind es Italiener. Bei uns leben sowohl Deutsche als auch
Italiener. Die meisten deutschen Kindern gehen in deutsche Schulen und die
meisten italienischen Kinder gehen in italienische Schulen. Wenn wir mit
italienischen Kindern spielen wollen, können wir das nur in der Freizeit.
Vorteile, wenn Kinder aus zwei Sprachen zusammenarbeiten: Wir
lernen eine andere Sprache. Wir lernen uns kennen. Es können neue Freundschaften
entstehen. Wir lernen Neue Spiele kennen. Lernen tolle Lieder. Die Italiener
haben gute Kochrezepte (Pizza, Eis, Spaghetti).
Schwierigkeiten, wenn Kinder aus zwei Sprachen zusammenarbeiten: Die Sprache
zu verstehen. Italiener sind für uns "Walsche". Die Italiener empfinden
es als Beleidigung. Italiener sind viel lauter als Deutsche. Die Italiener
nennen uns "Cruchi".
Wir empfinden es als Beleidigung. Wir werden darüber nachdenken, wie wir
mit Menschen aus anderen Ländern leben können. Bis bald die Gruppe 5A der
Grundschule Lana |
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Erkenntnis
in Herne:
In Südtirol
gibt es auch eine "Ausländerproblematik"!
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Das
war den Kindern aus Herne völlig neu, dass in einer Provinz in Italien die
"Italiener" als die "Ausländer" angesehen werden und dass dort außerdem
die meisten deutschen und italienischen Kinder nicht gemeinsam in eine Schule
gehen, sondern deutsche bzw. italienische Schulen besuchen. Ganz aufgeregt
trugen sie diese "Entdeckung" der ganzen Klasse am Ende der Unterrichtseinheit
vor, was bei einigen den Wunsch aufkommen ließ, mehr über das Leben in Südtirol
zu erfahren. Außerdem machten die Schülerinnen und Schüler aus Lana in ihrem
Text einige interessante Aussagen und Vorschläge zum Umgang mit der anderen
Nationalität, welche die Gruppe "Du Türke" für ihre Weiterarbeit aufgreifen
konnte. |
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"Ich
heiße nicht Pumuckl"
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Dieses
Fallbeispiel sollte für die Kinder einen Anlass schaffen, sich mit den Grenzen
zwischen Beleidigung und Kosename sowie über kulturelle Unterschiede bei
"Schimpfnamen" auseinander zu setzen. Da Pumuckl eine Reizfigur ist, welche
den meisten Kindern bekannt war, erhofften wir Lehrerinnen und Lehrer uns,
dass auf diese Weise eine kommunikative Auseinandersetzung stattfinden würde.
Und das geschah auch. Im Folgenden soll nicht der gesamte Unterrichtsverlauf,
sondern nur einige Ausschnitte aus dieser Kommunikation dargestellt werden. |
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Die
Gruppe von der Grundschule Pantringshof schrieb am 13.05.1998:
...
Nachdem wir uns heute das Fallbeispiel "Pumuckl" angesehen haben, wollen
wir unsere eigenen Erfahrungen schildern. Einem Jungen in unserer Gruppe
ist auch schon einmal so etwas passiert ... Uns interessiert noch etwas:
Warum ist "Pumuckl" ein Schimpfwort? Vielleicht könnt ihr uns diese Frage
beantworten!
Eure Gruppe "Pumuckl"
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Aushänge
der Mitteilungen vom Schwarzen Brett an eine Pinnwand
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Auch
Kinder der 4b der Grundschule an der Schulstraße in Herne fragten und
schrieben:
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Am
Montag haben wir uns die Fallbeispiele "Pumuckl" und "Streit um die Wippe"
angesehen. Uns interessiert aber besonders "Du Türke". Zuerst haben wir
alle möglichen Schimpfwörter und Beleidigungen gesammelt ... PS: Auch wir
wissen nicht, warum "Pumuckl" ein Schimpfwort ist. |
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Drei
Mädchen aus Lana in Südtirol antworteten darauf am 15.05.1998
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Die Mädchen
antworteten nach sehr intensiven Diskussionen in der Gruppe, die erstmals
auch bei den Kindern in Lana selbst die Tragweite des Umgangs mit Spitznamen
deutlich machte. Auch kam auf diese Weise noch eine weitere Diskussion
in Gang, da in Südtirol das Wort ‚Spitzname' häufig durch ‚Übername' ersetzt
wird, dass aber in Nordrhein-Westfalen eine andere Bedeutung hat.
Wir
(Tina, Cornelia, Stefanie, Birgit) haben uns mit eurer Frage beschäftigt.
Ein Übername ist ein Schimpfwort, wenn man es dementsprechend betont.
Pumuckl kann ein Kosenamen sein, wenn man die positiven Seiten des Anderen
sieht. Wir haben versucht, gute und schlechte Eigenschaften vom Pumuckl
herauszufinden.
GUTE EIGENSCHAFTEN -
SCHLECHTE EIGENSCHAFTEN abenteuerlich - frech, witzig - unsportlich, niedlich
- zimperlich, hilfsbereit - ungehorsam, lieb - tollpatschig, erfinderisch
- schwatzhaft, neckisch - bequem, unordentlich - schwatzhaft
So sind wir der Meinung, dass ein Übername jemanden verletzen oder aufmuntern
kann. In unserem Fallbeispiel ist Pumuckl ein Schimpfwort und verletzt
Martina. Das ist das Ergebnis unserer Diskussion. Tschüss! Bis bald! Die
5a aus Lana
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Schließlich
beteiligte sich noch die Ennertschule aus Bonn an der Diskussion und brachte
ihren Standpunkt ein:
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Hallo
Tina, Cornelia, Stefanie und Birgit, wir sind Eurer Meinung, dass Pumuckl
ein Schimpfwort und ein Kosename sein kann. Martina ist beleidigt worden,
obwohl sie groß ist. Sie hat rotes Haar und ist unsportlich. Peter hat sie
absichtlich Pumuckl genannt, Martina fühlt sich jetzt klein und kommt sich
wie eine Witzfigur vor. Er hat es geschafft, Martina "niederzumachen". Wir
haben herausgefunden, dass dies oft die Absicht bei Beleidigungen ist. Die
Kinder, die beschimpft werden, können gut unterscheiden, ob sie mit Wörtern
verletzt oder aufgemuntert werden sollen. Wir werden in der nächsten Woche
dazu mehr Beispiele suchen und euch schicken.
Eure Klasse 3b |
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Resumée
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Die
Fülle von Beiträgen ganz unterschiedlicher Art und Sichtweisen ließ die
Kinder erahnen, wie vielschichtig und komplex die Problematik "verbaler
Beleidung" ist und dass sie mit dem Ende des Projektes nicht abgeschlossen
sein konnte. Aber ein nicht unwesentlicher Anfang war gemacht. Die internationale
Kommunikation über das Schwarze Brett hat mit dazu beigetragen, Verständnis
füreinander anzubahnen und über den Umgang mit "Menschen aus anderen Ländern"
nachzudenken. Die "direkten" Erfahrungen von interkultureller Differenz
regten weitere Aktivitäten "vor Ort" an. Die Kinder haben versucht, gemeinsam
ein Thema zu diskutieren. Aber das wirklich Schwierige an dieser Art der
Auseinandersetzung über das Internet ist, dass Kinder zwar ihre Gedanken
und Arbeiten an das Schwarze Brett heften, aber seltener auf die Gedanken
der anderen reagieren. Hier spielt die Form des gewohnten Unterrichts eine
wesentliche Rolle. In einem Unterricht, in dem keine Kommunikation zwischen
den Kindern stattfindet, wird es auch nicht möglich sein, dies auf eine
"technisierte" Ebene zu transferieren. Die Kommunikation in der Klasse muss
funktionieren, allgemeine und themenbezogene Kommunikationsregeln müssen
"gekonnt" sein sind. Und ein weiteres wesentliches Element in der Kommunikation
ist, dass Kinder sich mit Namen ansprechen und nicht nur als Klasse präsent.
Bei der Arbeit mit dem Lern- und Arbeitsbereich kommt es aber außerdem zu
einer Verbesserung und Steigerung der Lese- und Schreibfertigkeit sowie
zu einem Ausbau und einer Erweiterung der Methodenkompetenz der Schülerinnen
und Schüler. |