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Veränderungen
in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen
(aus: Orientierung suchen - Ziele setzen - Schule gestalten, Seite31f) |
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Grundlegende
Veränderungen in den Aufwachsensbedingungen
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"Im
Zusammenhang mit den zuvor geschilderten gesellschaftlichen und kulturellen
Veränderungen haben sich die Bedingungen des Aufwachsens und die Lebenssituationen
von Kindern und Jugendlichen stark gewandelt. Dieser Wandel ist durchaus
in unseren Alltagserfahrungen gegenwärtig, wobei vor allem auch deren Widersprüchlichkeit
und Ambivalenz in Erscheinung treten. Und doch können trotz der sehr unterschiedlichen
Werthaltungen und Lebensvorstellungen, Alltagskonzeptionen und Zukunftsvisionen
einige grundlegende Veränderungen in den Aufwachsensbedingungen festgestellt
werden. Mit diesen verändern sich auch die Bildungsvoraussetzungen und -erwartungen,
ebenso die Anforderungen an Bildungswesen und Schule. |
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Wandel
der Familienstrukturen und Erziehungsvorstellungen
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Die Familien werden
kleiner. Auch in Südtirol geht die Entwicklung von der Großfamilie von
einst hin zur Kleinfamilie. Immer weniger Kinder wachsen mit mehreren
Geschwistern auf, zunehmend - vor allem im städtischen Bereich - ist die
Zahl der Einzelkinder.
Die Großelterngeneration ist in vielen Haushalten nicht mehr anzutreffen.
Seit den 70er Jahren ist in Südtirol - nicht anders als im übrigen Staatsgebiet
und in Europa - ein starker Geburtenrückgang zu verzeichnen. Dadurch ist
der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung kontinuierlich
gesunken.
Neben der traditionellen Kernfamilie hat die Bedeutung anderer Familienformen
und -zusammensetzungen - nicht eheliche Lebensgemeinschaften, allein Erziehende,
getrennt lebende Eltern, wieder verheiratete Eltern mit Kindern und Stiefkindern
- zugenommen. So hat beispielsweise, einhergehend mit einer zunehmenden
Individualisierung der Lebensführung und entsprechender Lebensplanung,
die Zahl der allein Erziehenden deutlich zugenommen.
Familien sind leichter Veränderungen unterworfen und lösen sich leichter
auf: Die deutlich zunehmende Zahl der Ehetrennungen und -scheidungen ist
ein klares Indiz dafür. Auch Kinder, die in ihrer eigenen Familie diese
Brüche, Beziehungsverschiebungen und Neuorientierungen nicht erleben,
nehmen um sich herum diese Pluralisierung von Lebensformen wahr.
Verändert haben sich auch die Rolle und Stellung der Frau in Familie und
Gesellschaft. Auch in Südtirol lässt sich anhand der Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen
eine zunehmende Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben feststellen. Diese
Tatsache wird im öffentlichen Bewusstsein zunehmend wahrgenommen, die
Bereitschaft für eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern
innerhalb der Familien allerdings bleibt oft noch weit hinter den Anforderungen
zurück.
Die Erziehungs- und
Umgangsformen in den Familien haben sich in den vergangenen Jahrzehnten
stark gewandelt. Traditionelle, auf elterlicher Autorität basierende Erziehungsvorstellungen
bieten keine allgemein akzeptierte Grundlage mehr. An deren Stelle sind
vielfach Einstellungen und Haltungen getreten, die von stärkerer emotionaler
Nähe, Teilnahme und Verständnis gekennzeichnet sind.
Wie nie zuvor finden populärwissenschaftliche Darstellungen neuer Erkenntnisse
aus der Pädagogik über Medien und Erwachsenenbildung weite Verbreitung.
Dies ist durchaus ein Anzeichen für eine große Bereitschaft zur Befassung
und Auseinandersetzung mit Erziehungsfragen. Die vielfach widersprüchlichen,
sich rasch ändernden Aussagen von Seiten verschiedener Ratgeber und Experten
lassen jedoch nicht selten desorientierte Eltern zurück. In vielen Fällen
ist eine zunehmende Erziehungsunsicherheit in den Familien festzustellen.
Dabei lassen sich durchaus widersprüchliche Folgen beobachten: Kinder
und Jugendliche erfahren heute in einer Kleinfamilie von Seiten der Eltern
und anderer Erwachsener mehr Beachtung, mehr Zuwendung und mehr Umsorgung;
sie erleben aber auch verstärkt eine belastende Erwartungshaltung und
betreuende Kontrolle, in manchen Fällen auch eine völlige Vernachlässigung
von Erziehung.
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Lebens-
und Erfahrungsraum von Kindern und Jugendlichen
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Der
Großteil der Bevölkerung Südtirols lebt in Verdichtungs- und Wohnzonen.
Auch in ländlichen Gebieten ist eine zunehmende Verstädterung der Lebensformen
zu beobachten. Nicht nur in den größeren Städten, auch in den Dörfern haben
städtische Standards in Kinderzimmern, Spiel- und Sportplatzgestaltung Einzug
gehalten.
Kinder und Jugendliche finden fast ausschließlich eigens geplante und gestaltete
Innen- und Außenräume für vorstrukturierte und genormte Betätigungsmöglichkeiten.
Gleichzeitig ist die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen am Alltag der
Erwachsenen, der direkte Einblick in die Arbeitswelt geringer geworden.
Dies gilt vor allem für den Dienstleistungssektor sowie für Industrie und
Handwerk, weniger für Landwirtschaft und Tourismus.
Mit zunehmender Arbeitsteilung, Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort und
mit komplexer werdenden technischen Verfahren gehen die Teilnahmemöglichkeiten
für Kinder und Jugendliche zurück. Das bedeutet einerseits eine Entlastung
von zu früher Beanspruchung, andererseits fehlt die stärkende Erfahrung
eigenen Könnens und Gebrauchtwerdens. |
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Kennzeichen
der heutigen Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen
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Die Lebenssituation
der heutigen Kinder und Jugendlichen ist gekennzeichnet durch:
- kleinere Familien,
- Pluralisierung
der Familienformen,
- veränderte Erziehungshaltungen,
- geringe Einbindung
in die Berufswelt der Erwachsenen,
- Allgegenwärtigkeit
von Medien,
- große Verfügbarkeit
von vorgefertigtem Spielzeug und
- vielfältige Freizeitangebote
und zunehmende Zeitknappheit.
Die Verfügbarkeit
von Spielzeug und technischen, vor allem elektronischen Unterhaltungsgeräten
verschiedenster Art ist für viele Kinder und Jugendliche unvergleichlich
größer geworden. Verstärkt ziehen sich Kinder in die Wohnungen und Kinderzimmer
zurück und beschäftigen sich mit vorstrukturiertem, industriell gefertigtem
Spielzeug oder verbringen ihre Zeit mit Fernseher, Computer und verschiedenen
Audiogeräten. Die Medienwelt ist in einem früher unvorstellbaren Maß allgegenwärtig.
Der damit verbundene Ersatz direkter Welterfahrung durch medial vermittelte
Bilder und Botschaften ist in seinen Auswirkungen noch kaum abzuschätzen.
Gleichzeitig kann nicht übersehen werden, dass sich Kindern und Jugendlichen
dadurch neue, interessante Informations-, Lern- und Unterhaltungsmöglichkeiten
eröffnen.
Kinder und Jugendliche
können aus einem großen Freizeitangebot auswählen: Sportclubs, Musikschulen,
Jungschar, Alpenverein und andere Einrichtungen und Organisationen bieten
ein dichtes Netz von Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, ihre individuellen
Vorlieben, Fähigkeiten und Begabungen zu entfalten und zugleich auch Sozialerfahrungen
zu machen. Dies kann gemeinschaftsbildend wirken und zur Identitätsfindung
beitragen. Eine unreflektierte Inanspruchnahme dieser verschiedenen Angebote
birgt jedoch auch die Gefahr von zeitlicher und leistungsmäßiger Überbeanspruchung.
Zeitknappheit und Stresssituationen sind für Kinder und Jugendliche deshalb
zunehmend erfahrene Alltagswirklichkeiten."
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