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Unterrichtsdifferenzierung und pädagogischer Leistungsbegriff

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die Diskussion um
andere Bewertungsformen

gerechte Leistungsbeurteilung?

Leistungserziehung oder:
alle Kinder stärken

pädagogisches
Leistungsverständnis

 

Zwischen einem pädagogischen Leistungsverständnis und der Unterrichtsgestaltung besteht ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Ein Unterricht, der auf vergleichende Leistungsbeurteilung verzichtet und das individuelle Lernen unterstützt, setzt eine andere Pädagogik voraus und macht nur Sinn im Zusammenhang mit einer umfassenderen Reform der Schule. "Je mehr ein Unterricht dem Prinzip der inneren Differenzierung verpflichtet ist, desto günstiger sind die Bedingungen für die Erfassung von Daten, die unerlässliche Voraussetzung für die Erstellung von entwicklungsbezogenen Berichtszeugnissen sind" (Jürgens). Umgekehrt gilt auch: Je weniger differenziert in der Klasse gearbeitet wird, umso schwieriger ist es für die Lehrerin, solche Daten zu erfassen.

"Die Grundschule ist eine Gesamtschule... In der Grundschule dominieren die Unterschiede, und das fordert von uns, auch innerhalb der einzelnen Schulklassen einen differenzierenden Unterricht mit differenzierenden Lernangeboten bereitzustellen, der dann konsequenterweise auch nach individuell differenzierenden Maßstäben bewertet werden muss"
(J. Ramseger, in: Boettcher u.a., 1999, S. 40).

     
   

Wenn man das Prinzip der individuellen Förderung ernst nimmt, so ist Unterrichtsdifferenzierung die logisch-didaktische Konsequenz. Bei der großen Heterogenität der Kinder kann ein Unterricht, der für alle Kinder gleiche Ziele setzt, sie gleich behandelt und sie mit Hilfe der gleichen Prüfungen bewertet, nicht gut funktionieren. Durchschnittliche, für alle Kinder gleiche Anforderungen "passen" nur auf wenige Kinder und sind kein geeignetes Mittel, Leistungsbereitschaft zu entwickeln. Sie sind pädagogisch unsinnig und kontraproduktiv - sie verstärken schon bestehende Ungleichheiten zwischen den Kindern. Besonders schlimm ist das für chronisch überforderte Kinder. Sie können in einem solchen Unterricht keinen Zusammenhang zwischen ihrer Anstrengung und dem Lernerfolg erkennen. Und weil kein Erfolg sich einstellt, lässt ihre Anstrengungsbereitschaft notgedrungen mit der Zeit nach.

"Der ständige Misserfolg führt in eine ausweglose Versagersituation, die sich auf die Leistungsbereitschaft, auf das Selbstbild und auf das Verhalten nachhaltig auswirkt" (Bartnitzky/Christiani, 1987, S. 14).

Leistungsanforderungen haben nur dann einen Sinn und erfüllen nur dann ihre pädagogische Funktion, wenn sie für das einzelne Kind erreichbar sind. Aus dem einen und für alle Kinder gleichen Lehrgang muss die Lehrerin für jedes einzelne Kind seinen individuellen Lehrgang machen.

 
     
   
"Jedem Schüler muss das an Lernangeboten zuteil werden, was er für seine individuelle Entwicklung braucht und was ihn persönlich fördert"
(Bartnitzky/Christiani, 1987, S. 15-16).

"Damit alle Kinder zu Lernerfolgen kommen können, müssen neben differenzierenden Lernangeboten auch differenzierte Leistungsanforderungen gestellt und differenzierte Hilfestellungen gegeben werden"
(Jürgens, 1999, S. 26).

Als Konsequenz auf die sehr unterschiedliche Lernentwicklung der einzelnen Kinder ist ebenfalls eine Differenzierung im Lerntempo, im Lernumfang und in der zur Verfügung stehenden Zeit notwendig. All das ist im Rahmen des herkömmlichen Frontalunterrichts nicht zu leisten, und deshalb sind die von der Reformpädagogik entwickelten Methoden wie Tages- und Wochenplan, Freiarbeit, Stationenlernen u. ä. sinnvolle Angebote für die Umsetzung eines differenzierenden Unterrichts.

Hier ist auch der Platz, von der Möglichkeit einer Selbstdifferenzierung durch die Schüler selbst zu sprechen. Differenzierung wäre nämlich falsch verstanden, wenn man davon ausgehen würde, dass der Lehrer für jeden einzelnen Schüler ein detailliertes individuelles Programm aufstellen müsste, das die Schüler dann durcharbeiten würden.

 
     
   

Dieses Konzept ist wenig sinnvoll, denn erstens wäre jeder Lehrer damit überfordert, und zweitens wäre ein zentrales Ziel der Pädagogik, die wachsende Selbständigkeit und Selbstverantwortung der Schüler, so nicht zu erreichen. Selbstdifferenzierung meint, dass die Schüler vom Lehrer progressiv immer stärker in die Planung für das eigene Lernen eingebunden werden, sich Inhalte aussuchen, die Lernmethode wählen, sich selber kontrollieren und so allmählich ihr Lernen in die eigene Hand nehmen.

Es wird immer wieder befürchtet, dass eine Differenzierung des Unterrichts zu einem Senken des allgemeinen Anspruchsniveaus und damit zu einem "Niveauverlust" oder gar zu einem generellen Verzicht auf Leistungsanforderungen führen muss. Empirisch läst sich dies Befürchtung nicht belegen. U. Brosch meint dazu:

"Gerade die Orientierung auf die speziellen persönlichen Lern- und Entwicklungsprozesse in der Organisation des Unterrichts macht die Entwicklung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Kinder im Rahmen ihrer Möglichkeiten erst praktikabel und realistisch. Das - nur gedanklich vorhandene - einheitliche Leistungsniveau einer Klasse entspricht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit nur weniger Kinder der Klasse. Die anderen SchülerInnen werden mit der Vereinheitlichung der Leistungsanforderungen unter- oder überfordert und damit als selbstbestimmte Lernende nicht mehr ernstgenommen. Ein mögliches Ergebnis ist die häufig beklagte mangelnde Leistungsbereitschaft. SchülerInnen wollen Leistungen erbringen, wenn sie in die Schule kommen. Und es ist unsere Aufgabe, mit der Organisation sehr differenzierter und reichhaltiger Lernangebote und Lernmöglichkeiten den mitgebrachten Leistungswillen zu erhalten"
(U. Brosch in: Boettcher u.a. (Hg.), 1999, S. 33).
 
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