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Schule und Gesellschaft
gesellschaftliche
Funktionen der Schule
gesellschaftliche
Rolle des Zeugnisses
das
Leistungsprinzip
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Leistungsbewertung
spielt in der Schule von heute eine so zentrale Rolle, dass wir uns eine
Schule ohne regelmäßige Leistungskontrolle kaum vorstellen können. Aber
Leistungsbewertung hat es in der Schule tatsächlich nicht schon immer
gegeben.
"Obwohl sich
Vorläufer schon bei den alten Ägyptern und in der Antike nachweisen
lassen, kam die Schule in ihrer fünftausendjährigen Geschichte weitgehend
ohne formalisierte Notensysteme und Zeugnisse aus"
(Sacher, 1996, S. 7). |
Wichtige
Vorläufer der heutigen Zeugnisse sind die Benefizienzeugnisse, die seit
dem 16. Jahrhundert verbreitet waren. Darin bescheinigte man dem Schüler,
dass er auf Grund seiner charakterlichen Eigenschaften und seiner Leistungen
verdiene, kostenlose Verpflegung und ein Stipendium zu erhalten. Die Benefizienzeugnisse
erlaubten es also, unter den bedürftigen Schülern die auszuwählen, die
sich durch ihr Verhalten und ihre Leistungen als besonders förderungswürdig
erwiesen. Kinder wohlhabender Eltern waren natürlich auf solche Zeugnisse
nicht angewiesen und brauchten sich einer Auslese durch sie deshalb nicht
zu stellen.
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Die Ursprünge
des heutigen Prüfungs- und Bewertungssystem liegen in den Jesuitenschulen
des 16. und 17. Jahrhunderts, in denen das System zu einer ersten Blüte
gelangte. In den öffentlichen Schulen verbreitete es sich erst allmählich
im 18. und 19. Jahrhundert, und dies gilt selbstverständlich nur für die
höheren Schulen, und hauptsächlich als Berechtigungsnachweis für das Universitätsstudium.
Doch
"selbst das Nichtbestehen
der in Preußen 1788 eingeführten Abiturientenprüfung schloss noch
nicht vom Universitätsstudium aus. Mit dem Reifezeugnis wurde vorerst
nur der Nachweis der Würdigkeit erbracht, ein Stipendium zu erhalten.
Damit verrät das Reifezeugnis seine Herkunft vom Benefizienzeugnis.
Es erfüllte somit hinsichtlich der Studienberechtigung zunächst ebenfalls
nur eine eingeschränkte Selektionsfunktion für die unteren Schichten
der Bevölkerung"
(op. cit., S. 8). |
In den
30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde zwar in den meisten deutschen Staaten
das Reifezeugnis als Vorbedingung für den Universitätsbesuch eingeführt,
doch dies hatte eindeutig politische Hintergründe:
" Nach den revolutionären
Unruhen des Vormärz befürchteten die deutschen Fürstenhäuser einen
Umsturz und versuchten auf diesem Wege, politisch missliebige Elemente
von den Universitäten fernzuhalten und die sich dort sammelnde Opposition
auszutrocknen. Es ging ihnen weniger um die Sicherung ausreichender
wissenschaftlicher Vorkenntnisse für das Studium als um die Kontrolle
des Verhaltens und der Gesinnung der Studienanwärter"
(op. cit., S. 8). |
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Bei der
Einführung der allgemeinen Schulpflicht Ende des 18. / Anfang des 19.
Jahrhunderts wurden sogenannte "Schulentlassungsscheine" die Regel, also
Abgangszeugnisse, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Schulpflicht bescheinigten.
Und auch bei diesen waren Wohlverhalten und die richtige Gesinnung wichtiger
als schulisches Wissen. Ohne Schulentlassungsschein konnte man sich weder
als Dienstbote noch als Lehrling bewerben, man durfte ohne ihn nicht heiraten
oder ein Haus erwerben.
Ingenkamp
kommentiert diese Entwicklung folgendermaßen:
"Die Einführung
des Zensurensystems war eine politische Maßnahme... Die Schule hatte
nicht mehr nur zu erziehen und zu unterrichten, sie hatte auch Berechtigungen
zu vergeben. Diese Doppelfunktion hat unser Bildungssystem belastet
und seine Rückmeldungspraktiken aus pädagogischer Sicht deformiert"
(Ingenkamp, 1989, S. 96). |
Prüfungen
und Zeugnisse dienten also seit ihrer Einführung vor allem der sozialen
Kontrolle, der Selektion und der systemkonformen Sozialisation. Und es
ist nicht abwegig, die Einführung von Ziffernnoten, wie sie auch heute
noch bestehen, als Mittel anzusehen, um die schulische Selektion zu vereinfachen
und ihr einen Anschein von Objektivität und Gerechtigkeit zu geben.
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