gesellschaftliche
Funktionen der Schule
gesellschaftliche
Rolle des Zeugnisses
Plädoyer
für die Abschaffung
der Zeugnisse (Heide Bambach)
pädagogisches
Leistungsverständnis
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Manche LehrerInnen
machen es sich bei der Frage nach der Gerechtigkeit ihrer Bewertungen
recht einfach: Gerecht ist für sie, wenn sie sich Mühe geben, alle Schüler
gleich zu behandeln. Das klingt gut und entspricht auch unserem Alltagsverständnis
von Gerechtigkeit. Würden alle Schüler auch nur annähernd die gleichen
Voraussetzungen mitbringen, man könnte vielleicht mit dieser Vorstellung
von Gerechtigkeit leben.
Doch genau hier liegt
das Problem. Schon zu Schulbeginn, so belegen empirische Untersuchungen,
betragen diese Unterschiede in einer ganz durchschnittlichen Klasse ca.
drei Entwicklungsjahre, d.h. in der gleichen Klasse sind Kinder mit einem
Entwicklungsalter von 4-5 Jahren und andere mit einem Entwicklungsalter
von 7-8 Jahren gibt. Diese Unterschiede beziehen sich nicht nur auf die
kognitive Entwicklung, sondern gelten gleichermaßen für die Entwicklung
im körperlichen, psychomotorischen emotionalen und sozialen Bereich, Tendenz:
steigend.
Was heißt unter diesen
Umständen gerecht sein? Ist es eine Lösung, wenn die Schule diese Unterschiede
einfach übergeht und sich mit einer gleichen Behandlung aller Kinder auf
eine rein formale Bestimmung von Gerechtigkeit beschränkt?
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Im Kapitel "Gerechtigkeit
statt Gleichmacherei" seines Buches "Zeugnisse ohne Noten" schreibt Eiko
Jürgens: "Gleichbehandlung und Gleichmaß sind unter der Maxime, jedes
Kind bestmöglich entsprechend seinen individuellen Lernvoraussetzungen
und sozialen Umweltbedingungen zu fördern, unvernünftig und pädagogisch
nicht zu verantworten, weil jedes Kind anders ist und demzufolge jedes
anders zu behandeln ist... Gerechtigkeit bedeutet dann, dass einige Kinder
ein Mehr an Zuwendung, Geborgenheit, an Beratung oder Hilfestellung erhalten
als andere" (Jürgens, 1999, S. 14).
Gerecht sein kann
demnach nicht heißen: Jedem das Gleiche - das wäre formale oder Angebots-Gerechtigkeit.
Gerecht sein muss in der Schule bedeuten: Jedem das Seine, und damit ist
die ausgleichende Gerechtigkeit angesprochen. Das ist völlig konsequent
und leuchtet ein. Das Problem besteht darin, dass eine solche Definition
von Gerechtigkeit in unseren Schulen mit ihren relativ starren Lehrplänen
und ihrer Tradition der rein formalen Gerechtigkeit, mit ihren Unterrichtsmethoden
und ihrer Bewertungspraxis nicht leicht, wenn überhaupt, umzusetzen ist.
Besonders der Zwang zur Notenbewertung ist hier ein fast unüberwindliches
Hindernis. Wie soll der Lehrer es schaffen, jedes Kind individuell zu
fördern und gleichzeitig die verschiedenen Kinder mit Hilfe der Noten
1-6 gerecht zu bewerten? Das geht mit dem Notenzeugnis nicht, und deshalb
sind einer konsequenten Förderung im Unterricht enge Grenzen gesetzt,
solange die Pflicht zur Notengebung weiterbesteht.
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