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Bezugsnormen

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gesellschaftliches und
schulisches Leistungsprinzip

pädagogischer und
unpädagogischer Leistungsbegriff

die Normalverteilung - höchst
problematisch in der Pädagogik

Verbalzeugnisse:
empirische Untersuchungen

pädagogisches
Leistungsverständnis

 

 

 

Leistungen sind nicht an sich schon gut oder schlecht, Leistungsbewertung erfolgt immer auf dem Hintergrund anderer Leistungen, die als Basis eines Vergleichs dienen. Anders ausgedrückt: Leistungsbeurteilung setzt eine Bezugsnorm voraus. Ohne klare Angabe dieser Bezugsnorm sagt die Leistungsbewertung wenig aus. Je nachdem, welche Bezugsnorm verwendet wird, kann die gleiche Leistung entweder als relativ gut oder auch als relativ schlecht bewertet werden.

Man unterscheidet drei Arten von Bezugsnormen:

  1. Die individuelle Bezugsnorm:
    Dabei wird die aktuelle Leistung eines Schülers mit seinen eigenen früheren Leistungen verglichen - bewertet wird der Lernfortschritt des Schülers. Gut ist eine Leistung dann, wenn der Schüler sich gegenüber seinen früheren Leistungen verbessert oder wenigstens nicht verschlechtert hat.
     
  2. Die sachliche oder kriteriale Bezugsnorm:
    Dabei werden die Leistungen an sachlichen Vorgaben wie den Anforderungen des Lehrplans oder des "Programms" gemessen, die unabhängig von der Leistung der Klasse festgesetzt werden. Gut ist eine Leistung, die diesen Anforderungen entspricht.
     
  3. Die soziale Bezugsnorm:
    Hier orientiert sich die Bewertung der individuellen Leistung am Durchschnitt der Klasse, sie wird in Beziehung gesetzt zu den Leistungen der anderen Schüler in der Klasse. Gut gearbeitet hat ein Schüler dann, wenn seine Leistung besser ist als der Durchschnitt der Klasse.

     
   

Die Verwendung der einen oder anderen Bezugsnorm bei der LB ist dabei keine rein technische Frage, sondern ist "verbunden mit den fundamentalen erzieherischen und politisch-gesellschaftlichen Zielen, die wir verfolgen" (Sacher, 1996, S. 47).

Für die Entscheidung, welche dieser drei Bezugsnormen in der Schule angebracht ist, können die folgenden drei Bewertungskriterien hilfreich sein:

  1. Sind die gesellschaftlichen und schulischen Voraussetzungen für eine Beurteilung nach der jeweiligen Bezugnorm überhaupt gegeben?
    Vergleicht man die drei Bezugsnormen mit den bestehenden Verhältnissen in Schule und Gesellschaft, so entspricht die soziale Bezugsnorm ihnen zweifellos am besten. "Die verbreitete Leistungsbeurteilung nach der sozialen Norm ist vermutlich ein Stück heimlicher Lehrplan unserer competitiven und leistungsorientierten Gesellschaft" (ibid., S. 51).
    Die Bewertung nach der sachlichen Bezugsnorm ist ebenfalls gut mit den gesellschaftlichen Werten vereinbar: "Die Berufung auf Sachansprüche ermöglicht es, jeden bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit zu fordern" (id.).
    Soziale und sachliche Bezugsnorm passen demnach recht gut in das Konzept einer leistungsorientierten Gesellschaft, und es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sie von gesellschaftlichen "pressure groups" offensiv vertreten werden und die Praxis in unseren Schulen weitgehend bestimmen.
    Dies gilt nicht für die individuelle Bezugsnorm. Sie ist in der Leistungsgesellschaft eher verpönt (außer in Randbereichen wie bei der Bewertung der Leistungen von Behinderten), und dies gilt weitgehend auch für die Schule. Hinzu kommt, dass eine solche Leistungsbewertung konträr zur schulischen Tradition steht und nur sinnvoll ist, wenn der Unterricht dieser Bezugsnorm angepasst ist und den Schülern "differenzierte und flexible Lernangebote gemacht würden." (ibid., S. 50)
 
       
   
  1. Inwieweit ist die jeweilige Bezugsnorm mit den allgemeinen Erziehungszielen der Schule kompatibel?
    Es gibt in unseren Demokratien, wenigstens in der Theorie, einen weitgehenden Konsens darüber, dass die Heranwachsenden zu "mündigen und verantwortlichen Mitgliedern unserer Gesellschaft erzogen werden sollen, zu Selbstbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit" (ibid, S. 48). Und es ist offensichtlich, dass die drei Bezugsnormen und die ihnen zugrunde liegende Weltanschauung sehr unterschiedlich mit diesen Erziehungszielen vereinbar sind.
    Eine Leistungsbeurteilung nach der sozialen Norm steht zu den erwähnten Zielvorstellungen in deutlichem Widerspruch.
    Bei der kriterialen Bezugsnorm "ist die Außengeleitetheit und -bestimmtheit nicht so direkt... Aber die vorgebliche Orientierung an sachlichen Erfordernissen ist oft nur eine geschickte Tarnung sozialer Beeinflussung... Immerhin aber ermöglicht die kriteriale Norm Schülern Kooperation" (ibid., S. 48-49), jedenfalls bis zu einem bestimmten Grad: spätestens bei Prüfungen ist Schluss damit.
    Es ist relativ eindeutig, dass nur die individuelle Bezugsnorm den gesellschaftlichen Zielvorstellungen voll entspricht, auch wenn dabei sachliche und soziale Normen mitberücksichtigt werden müssen. "Aber nur die individuelle Norm repräsentiert einen Maßstab, der nicht von außen an die Leistung eines Schülers herangetragen wird. Hier wird jeder an sich selbst und an seinen eigenen Fähigkeiten gemessen" (ibid., S. 49). Besonders der Förderauftrag der Schule ist mit der sozialen Bezugsnorm völlig unverträglich, und harmoniert auch nicht so recht mit der kriterialen Bezugsnorm (für alle die gleichen Lernziele).
 
     
   
  1. Welches sind die nachweisbaren oder vermuteten Auswirkungen einer entsprechenden Beurteilung?
    Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Forschungsergebnissen besonders zu den kurz- und mittelfristigen Auswirkungen der drei Bezugnormen (s. dazu Sacher, 1996, S.53-55). Bei dem Vergleich zwischen der individuellen und der sozialen Bezugsnorm sprechen die Resultate ziemlich eindeutig für die individuelle Norm - die soziale Bezugsnorm erweist sich empirisch als in vielerlei Hinsicht problematisch.
    Über die Auswirkungen der kriterialen Bezugsnorm gibt es nur wenige Forschungsresultate. Sacher vermutet aber, dass auch hier problematische Folgen zu befürchten sind, weil "mit Berufung auf die kriteriale Norm oft glatte Überforderungen legitimiert werden ... und weil die Orientierung an sachlichen Anforderungen kriterial urteilenden Lehrern reichlich Motivationsprobleme bei ihren Schülern eintragen dürfte" (S. 55).

Als Fazit aus der Bewertung der drei Bezugsnormen nach den drei zurückbehaltenen Kriterien ergibt sich ein sehr widersprüchliches Bild: Während die gesellschaftlichen und schulischen Voraussetzungen ziemlich eindeutig für die soziale Bezugsnorm sprechen, lässt sich aus der Perspektive der Erziehungsziele und der Auswirkungen der verschiedenen Normen die individuelle Bezugsnorm am ehesten vertreten, während die soziale Bezugsnorm deutlich negativ bewertet werden muss.

 
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